Ausgegraben – in Hamburg Harburg

Zuletzt aktualisiert vor 8 Monaten

Ausgegraben an der Schloßstraße in Harburg

Von 2012 bis 2014 hat man in Hamburg Harburg eines der größten deutschen Ausgrabungsprojekte durchgeführt. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit – außer in Harburg. Auf ungefähr 2.000m² wurden 6.000m³ Erde bewegt und rund 36.000 Funde geborgen. Durch die Grabungen an der einstmals wichtigen Schloßstraße konnten neue Erkenntnisse zur Stadtentwicklung von Harburg vom Mittelalter an gewonnen werden.

Die Ausstellung Ausgegraben
Ausgegraben: Ausstellung mit vielen Funden, Fotos, Hinweisen und Plänen

Vor 1.000 Jahren wurde Harburg als eine Burg gegründet. Wie das meistens der Fall war, entwickelte sich schnell vor der Burg ein Dorf, das über die Jahrhunderte zu einem wichtigen Pilger- und Handelsort wurde.

Nicht immer sauber: Die Funde aus der Schloßstraße

Was war für die Archäologen am aufschlussreichsten? Alles, was man in alten Klogruben gefunden hat, denn diese wurden von alters her auch als Abfallgruben genutzt. Für die Ausgräber war das sicherlich nicht immer ein einfacher Job. Da wurde bei Regen und Sonnenschein im Schlamm alter Höfe und des früher nur mit Planken befestigten Weges gegraben. So grub man sich Schicht für Schicht durch die Abfallgruben.

Kay führte uns spannend und fachkundig durch die Ausstellung
Kay führte uns spannend und fachkundig durch die Ausstellung

Auf einer sehr spannenden Socialmedia-Veranstaltung führten uns (Blogger, Twitterer und Instagramer) Spezialisten des Museums durch die Ausstellung „Ausgegraben“. Eine wahrlich spannende und anschauliche Führung!

Wir durften gucken, fotografieren und fragen. Und anfassen! Der Archäologe Kay-Peter Suchowa gab uns einen Teller in die Hand: „Schnuppert mal! Wo haben wir den wohl gefunden?“ Schnell war die Antwort klar: „In den Abfällen eines mittelalterlichen Klos!“ Und weiter: Hinter den Häusern, die mit ihrem Giebel zur Straße standen, gab es einst Ställe und Unterstände für das Vieh. Wer sich auskennt, konnte noch viele Jahrhunderte später erschnüffeln, ob hier mal eine Kuh oder ein Schwein gestanden hat. Hochinteressant!

Irgendwie kann ich mir ja vorstellen, dass das meiste, was man bei einer solchen Stadtgrabung findet, Dinge sind, die die Einwohner verloren oder weggeschmissen haben. Brauchbare und wertvolle Dinge hat man aufbewahrt. So lässt manches, was einst die Menschen verloren haben, direkt Rückschlüsse auf die Funktion des ausgegrabenen Hauses zu.

Harburg als Pilgerstation

In einem Raum, der offensichtlich als Kneipe und Restaurant diente, fanden die Ausgräber hinter dem ursprünglichen großen Herdplatz zahlreiche Pilgerabzeichen. Das deutet darauf hin, dass es sich um eine Pilgerherberge handelte. Damals war Pilgern eine wichtige Angelegenheit und Harburg lag am Jakobsweg. Und die Pilgerabzeichen waren der Nachweis, dass man den Weg gegangen war und einem dafür die Sünden erlassen wurden.

An anderer Stelle hat man haufenweise Nägel gefunden, die Werkstatt eines Schmiedes; oder Scheren: hier arbeitete ein Schneider. Die Gelenkschere aus dem 14. Jahrhundert ist übrigens eine kleine Sensation, denn man hat bislang angenommen, dass man diese „modernen“ Scheren erst im 15. Jahrhundert erfunden hatte.

Diese Gelenkschere stammt aus dem 14. Jahrhundert.
Diese Gelenkschere stammt aus dem 14. Jahrhundert.

Zahlreiche Reste von Waffen wie Pfeilspitzen und Gewehrkugeln erzählen von der militärischen Geschichte Harburgs. Damals war das Leben im mittelalterlichen Harburg war sicherlich nicht einfach. Hinzu kamen drei schwere Brandkatastrophen, die 1396, 1536 und 1564 die Schloßstraße verwüsteten.

Die Ausstellung „Ausgegraben“ bietet einen interessanten Überblick nicht nur über das mittelalterliche Harburg sondern auch über die Arbeit der Archäologen. Sie gibt Aufklärung über Ausgrabungsmethoden und Funde. Karten und Fotos verdeutlichen die Fundsituationen.

Nachweise für weitreichende Handelsverbindungen im Mittelalter

Zum Schluss wurde ich gefragt: „Was ist für Dich das beeindruckendste Fundstück in der Ausstellung!“ Wer mich kennt, weiß meine Antwort: „Das chinesische Schälchen!“ Ja, man hat in all dem Müll auch die Scherben eines echten Porzellanschälchens aus China gefunden, ein kleiner Hinweis auf die Bedeutung Harburgs im internationalen Handel des Mittelalters.

Aufschlussreich war der Hinweis auf einige Keramikteller, die auf den ersten Blick aussahen wie chinesisches Porzellan. Aber sie waren Nachahmungen von chinesischem Porzellan. Erklärung: Nicht jeder konnte sich echtes Porzellan aus China leisten, doch man fand die Teller toll und wollte seine Gäste gerne beeindrucken. Deshalb wurden in Deutschland Keramik-Imitationen mit chinesischen Motiven hergestellt.

Die Scherben einer chinesischen Schale
Die Scherben einer chinesischen Schale
Schale mit chinesischen Motiven
Teller mit asiatischen Motiven
Der anrüchige Teller zum Anfassen
Der anrüchige Teller zum Anfassen

Schade! Nun ist die Ausstellung schon Vergangenheit!

Kronkorken

Ich möchte mich für die Einladung beim Helms-Museum bedanken. Die Führung durch Kay-Peter Suchowa war ein Erlebnis. Ich habe viel gelernt an diesem Abend. Zum Abschluss durften wir noch ein wirklich leckeres Bier der Kreativbrauerei Kehrwieder genießen und hatten Zeit für einen Austausch mit anderen Bloggern und Leuten vom Museum. Ein wirklich großartiger Abend!

Das Archäologische Museum Hamburg bietet zahlreiche Führungen und Vorträge rund um die Ausstellung. Auch an die Kinder ist gedacht. Schaut Euch das Programm an!

Weitere Blogartikel zu dem Event findet Ihr auf dem Blog des Museums. blog.amh.de

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Ulrike

6 Gedanken zu „Ausgegraben – in Hamburg Harburg“

  1. Liebe Ulrike,
    vielen Dank für diesen fantastischen Blogbeitrag und die tollen Fotos! Es war schön, Dich einmal persönlich kennenzulernen! Und natürlich freut es uns, dass Dir der Abend und die Ausstellung gefallen haben! Wir sehen uns zur nächsten Sonderausstellung ;)! Viele Grüße aus dem Archäologischen Museum Hamburg, Katrin Schröer

  2. Ein toller Bericht, und wirklich schöne Funde. Leider werde ich es bis dahin wohl nicht nach Hamburg schaffen, aber es war trotzdem interessant darüber zu lesen.

    Beste Grüße
    Jenny

  3. Das ist ja schade! Sag Bescheid, wenn Du nach Hamburg kommst. Und schau mal auf den anderen Blogbeiträgen auf dem Blog vom Helmsmuseum nach. Wirklich interessant, wie vielfältig die Sichtweisen sind.
    LG
    Ulrike

  4. Ein toller Tipp! Das möchte ich mir sehr gern ansehen und vielleicht schaffe ich es ja an Ostern! Vielen Dank für die Infos und die tollen Fotos!

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