Ausflug zum Steinwald 1987

Zuletzt aktualisiert vor 11 Monaten

Steinwald 1987 – ein Ausflug von Kunming aus

Selten habe ich beim Lesen meines alten Reisetagebuchs  so intensiv die Veränderungen gespürt, die es in China seitdem gegeben hat. Rund 24 Jahre später, im Mai 2011, war ich noch einmal da. Das war ein völlig anderer Ausflug!

Heute führt eine gut ausgebaute Autobahn nach Shilin. An den Dörfern, die man kaum noch sieht, fährt man vorbei. Für die Strecke braucht der Bus auch nur noch rund eine Stunde. Trotzdem: Die bizarren Steinnadeln sind nach wie vor ein tolles Erlebnis. Man ist mit ein paar Schritten ganz schnell von den Touristenmassen weg und kann viel Natur erleben.

Steinwald 1987
Steinwald – Stoneforest

Aber nicht nur die Gegensätze zwischen gestern und heute werdet Ihr in diesem Tagebucheintrag erleben, sondern auch den Unterschied zwischen der bequemen organisierten Reise und dem Backpacker-Leben, der schon damals ziemlich groß war. Viel Spaß!

Der Steinwald bei Kunming
石林      shílín     Stein + Wald = Steinwald

Der Steinwald liegt ca. 120km von Kunming entfernt. Er gehört zum UNESCO Weltnaturerbe. Die steilen Felsnadeln, die vor 230 Millionen Jahren auf dem Grund eines Ozeans lagen, bestehen aus Kalkgestein und wurden in dieser langen Zeit durch Erosion herausgespült.

Für Chinesen ist der Steinwald seit der Ming-Dynastie (1368 – 1644) eine spektakuläre Sehenswürdigkeit. Mna sagt „Wer den Steinwald nicht sieht, kann seinen Yunnan-Besuch vergessen!“. Wer in den schönen chinesischen Gärten in den Metropolen die schmalen Steinsäulen sieht, weiß nun, welches Vorbild diese haben.

Aus meinem Reisetagebuch 1987

10.11.87 Kunming: Ausflug zum Steinwald

Die Busfahrt und das deutsche Ehepaar

Bei Morgengrauen stehe ich auf. Um 7:00 Uhr fährt der Bus nach Shilin, wo der berühmte Steinwald zu sehen ist. Per, ein Schwede aus dem Schlafsaal, hat diesen Ausflug auch beim CITS gebucht und steht mit mir auf. Leise schleichen wir uns aus dem Schlafsaal. Die Luft ist noch nachtkühl. Nebelschleier liegen über der Stadt. Aber auf den Straßen sind schon die Jogger unterwegs.

An der nächsten Kreuzung steht eine Gruppe und macht im Zeitlupentempo Taiji-Übungen. Beim Anblick von so viel Aktivität möchte ich am liebsten gleich wieder zurück ins warme Bett.

Erst im Bus wache ich richtig auf. Ich habe einen Platz weit vorne im Bus. Zuerst bleibt der Platz neben mir frei. Kein Chinese möchte sich neben die Westlerin setzen. Doch kurz vor Abfahrt steigt noch ein deutsches Ehepaar ein. Sie ganz sportlich mit einem Lodenkostüm bekleidet, er passend dazu in Tweed. Die Frau setzt sich zu mir, da keine zwei zusammenhängenden Plätze mehr frei sind.

Sie erzählt mir gleich, dass sie schon seit zwei Wochen unterwegs sind, mit dem Flugzeug von einem Ort zum anderen reisen und nur in First-Class-Hotels wohnen. Für sie ist der Komfort des modernen Reisebusses, mit dem der Ausflug zum Steinwald 1987 durchgeführt wird, ganz normal.

Ich habe mich mittlerweile an das karge Traveller-Leben gewöhnt und finde den Bus sensationell: große Panoramafenster, Klimaanlage, weichgepolsterte, bequeme Sitze.

Die Dame ist sicher noch nie mit einem chinesischen Linienbus gefahren. Es macht mir diebischen Spass, ihr dramatisch meine Erfahrungen mit chinesischen Bussen zu schildern. Ich merke schnell, dass sie ein ganz anderes Bild von China während ihrer Reise bekommen hat als ich.

„Wie schön, dass die Chinesen nur schieres Fleisch ohne Fett essen!“ sagt sie z.B. einmal. Ungläubig starre ich sie an und erzähle ihr dann von meinen abenteuerlichen Mahlzeiten wie z.B. gestern Abend. Da ist sie nun ganz verblüfft.

Die Baustelle

Unser Bus braucht trotz aller moderner Ausstattung für die 120 Km nach Shilin fast drei Stunden. Der größte Teil der Straße wird gerade neu gebaut. Fast auf der ganzen Strecke scheint der Bau der Straße im gleichen Stadium zu sein. Bagger, Planierraupen, Asphaltiermaschinen und ähnliche nützliche Maschinen sehe ich wenig.

Das meiste wird in Handarbeit gemacht. Sowohl Männer als auch Frauen arbeiten an den Baustellen. Immer wieder sehe ich sie dabei, wie sie mit dem Meißel aus großen Steinen kleine klopfen, um diese als Schotter zu verwenden. Wo die Straße schon fertig asphaltiert ist, sind auf der glatten Fläche Getreide, Mais und Chilischoten zum Trocknen in der Sonne ausgebreitet.

Viele Häuser in den Dörfern, durch die wir fahren, sind noch im traditionellen Stil gebaut, bei dem sich einige kleine Gebäude jeweils um einen Innenhof gruppieren. Die Dächer sind geschwungen. Wie Girlanden hängen an den Mauern gelbe Bündel Mais. Manchmal sind es auch auf Schnüre aufgezogene Chilis. Das gibt ein schönes buntes Bild.

Gerangel am Ticketschalter

Die Landschaft wird nach und nach hügelig. In den Tälern liegt noch immer dichter Nebel. Aber als wir in Shilin ankommen, strahlt die Sonne vom wolkenlosen blauen Himmel.

Am Eingang zum Steinwald herrscht großes Gedränge. Über dem Häuschen, wo die Eintrittskarten verkauft werden, steht auf einem Schild, dass der Eintritt 3 Yuan kostet. Also zähle ich, während ich in der Reihe warte, mein Kleingeld ab und reiche das Geld durch das winzige Fensterchen in Bauchnabelhöhe.

Im gebrochenen Englisch sagt das Mädchen, dass der Eintritt jetzt 5 Yuan* kostet. Weil man schlecht mit Chinesen diskutieren kann, besonders wenn man sie kaum sieht, suche ich nach weiterem Kleingeld.

Da schiebt sich aus der 3. Position eine Hand an mir vorbei: ein Chinese will meine Unaufmerksamkeit ausnutzen und sich vordrängen. Nun gebrauche ich mal meine Ellbogen und schubse ihn beiseite. Schnell bekomme ich mein Ticket und kann rein. (*Anmerkung 2019: Der Eintritt kostet jetzt 130,- RMB)

Das deutsche Ehepaar macht sich als erstes auf die Suche nach einer Toilette. Ich wandere alleine weiter und treffe kurze Zeit später auf Per. Unterwegs finden wir eine typische chinesische Toilette. Na, ich bin mal gespannt, was die beiden Deutschen später erzählen werden!

Graue Felsnadeln und rote Erde

Der sogenannte Steinwald ist ein weites Gebiet hoher Felsen, die vor Millionen Jahren von einem Meer ausgehöhlt wurden. Das Wasser ist heute verschwunden und hat die grauen Felsen in bizarren Formen zurückgelassen.

Da es sich um eine große Touristenattraktion handelt, gibt es angelegte Wanderwege. Sogar Wegweiser in englischer Sprache sind auf die Felsen gepinselt. Zwischen den Felsen glänzen grün tiefe Tümpel. Die Sonne scheint und brennt mir auf den Kopf. Deshalb binde ich mir ein Kopftuch um und setze meine Sonnenbrille auf. Ich muss furchtbar aussehen, aber so fühle ich mich besser.

Per und ich klettern zu einem Aussichtspavillon hinauf. Von dort haben wir einen guten Überblick über den Steinwald. Rundherum liegt hügeliges Land im Sonnenschein. Die Erde leuchtet tiefrot. Dunkelgrüne Kiefern setzen Akzente.

Wir können sehen, dass es in einiger Entfernung weitere „Steinwälder“ gibt. Nach einer Stunde Wanderung kommen wir aus dem unmittelbaren touristischen Gebiet heraus. Bald sind wir ganz alleine. Nur von weiten hören wir den Lärm eines Steinbruchs. Auf einem Feld pflügt ein Bauer mit einem Pflug, der von einem Wasserbüffel gezogen wird, die rote Erde.

Wir genießen die Ruhe und den menschenleeren Wald. Schade, dass wir kein Picknick eingepackt haben! Deshalb treibt uns unser Hunger bald wieder zum Eingangsbereich zurück.

Essen und Bier im Steinwald 1987

Beim Eingang zum Steinwald haben Frauen der nationalen Minderheit der Sani ihre Souvenirstände aufgebaut. Sie bieten wundervoll gestickte Trachten und Taschen an. Per flirtet mit jedem hübschen Mädchen und versucht seine Künste beim Handeln.

Unser Hunger führt uns schließlich zu einem etwas abseits gelegenen Restaurant. Der Koch bittet uns in die Küche. Wir zeigen ohne Worte auf die Dinge, die wir gerne essen möchten. Auf diese Weise bekommen wir eine Schüssel Reis und einen großen Teller mit Tofu, Pilzen und Gemüse. Das Ganze kostet nicht mehr als umgerechnet 1,- DM! Wir können sogar an Holztischen draußen in der Sonne sitzen! Leider gibt es nichts zu trinken, nicht einmal Tee. Aber es ist endlich mal eine Mahlzeit, die man so richtig genießen kann!

Nicht weit ist es zum örtlichen Freundschaftsladen, wo es wenigstens Bier zu kaufen gibt. Wir setzen uns an einen kleinen Teich, reden, trinken unser Bier und ruhen uns aus. Die Chinesen, die vorbei kommen, nicken uns freundlich lächelnd zu. Ich fühle mich glücklich und zufrieden in der warmen Sonne.

Toilette heißt auf Chinesisch „Cesuo“ oder so

Dann aber müssen wir aufbrechen, weil ich nun dringend eine Toilette aufsuchen muss. Wir suchen eine Weile vergebens. Ich bemühe mich, das chinesische Wort für Toilette „Cesuo“ so auszusprechen, dass mich ein Chinese versteht. Das gelingt mir nicht. Erst Per bekommt eine Reaktion auf seine Frage. Ein Mann weist uns zu einem Gebäude auf der anderen Seite eines Schulhofes.

Es ist gerade Pause. Die Kinder spielen mit großem Geschrei auf dem Hof und beachten mich erst kaum, als ich zielstrebig den Schulhof überquere. Einige Mädchen treibt ihre Neugier, mir zu folgen. In dem Gebäude finde ich die übliche chinesische Toilette: hüfthohe Mauern zum Gang hin offen. Die Mädchen stehen kichernd in der Tür und schauen mir zu. Ob diese merkwürdige Westlerin es genauso macht wie wir?

Hängebauchschweine, Wasserbüffel und Zebras

Wir machen einen Rundgang durch das Dorf. Auf den unbefestigten Wegen laufen Hühner und meine Lieblinge, die kleinen schwarzen Hängebauchschweine, herum. Die Häuser sind aus gelbem Lehm gebaut und passen sich durch ihre Farbe an die rote Erde der Umgebung an.

Der zum Trocknen in die Bäume gehängte Mais leuchtet in der Sonne. Ein riesiger grauer Wasserbüffel wird von einem kleinen Jungen mit einer kurzen Gerte über die Dorfstraße getrieben. Neben dem Weg wälzen sich zwei Büffel genüsslich im Matsch.

In einem Hof stehen zwei kleine Zebras, wie wir sie auch im Steinwald gesehen haben. Dort lassen sich die chinesischen Touristen mit ihnen zusammen fotografieren. Ich schaue mir die Tiere genauer an und komme zu dem Schluss, das es sich um angemalte Pferdchen handelt. Per ist anderer Meinung und es ergibt sich eine heftige Diskussion.

Als ich das Fell von dem einem Zebra untersuche, stelle ich fest, dass nur die Haarspitzen der Streifen schwarz sind. Leider weiß ich nicht, wie sich das bei richtigen Zebras verhält. So bleibt diese Frage für uns ungelöst.

Langsam wird es Zeit, zum Bus zurückzukehren. Das deutsche Ehepaar ist auch schon da. Zu meiner Enttäuschung haben sie die chinesische Toilette nicht gefunden. Sie waren im dem Hotel, das zu dem Steinwald gehört, wo es eine Toilette im westlichen Stil gibt.

Zurück in Kunming

Dann fährt der Bus vom Steinwald nach Kunming zurück, der untergehenden Sonne entgegen. Mit einem Sonnenbrand auf der Nase und leichten Kopfschmerzen komme ich im Hotel an. Anita ist nicht da.

Ich habe keine Lust, auf sie zu warten, und gehe nach einer kurzen Erholungspause alleine zum Lala-Café, um meine Fahrkarte abzuholen. Leider hat der Wirt Shang das Ticket noch nicht. Das gefällt mir ja nun gar nicht!

Der Zug fährt morgen um 18:00 Uhr und ich soll um 14:00 Uhr die Fahrkarte abholen. Shang ist optimistisch und wiederholt nur immer wieder: „No Problem! No Problem!“ Ich bin dennoch beunruhigt, denn wer weiß, ob ich die Fahrkarte wirklich bekomme?!

Im Hotel finde ich eine Nachricht von Anita vor, dass sie nun ihrerseits zum Lala-Café unterwegs ist. Wir müssen uns knapp verfehlt haben. Endlich kommt sie zurück. Sie hat ihre Fahrkarte bekommen!

Jetzt bin ich natürlich erst recht unsicher und mache mir Sorgen. Hinzu kommen furchtbare Kopfschmerzen. Trotzdem sitzen Anita und ich noch lange in den gemütlichen Sesseln auf dem Flur und reden und reden… bis uns um Mitternacht ein junger Chinese ins Bett scheucht, denn „er müsse jetzt das Licht ausschalten!“. Ein spannender Tag im Steinwald 1987 geht zuende.

Impressionen von 2011

Ganz im Gegensatz zu 1987 hatte ich 2011 die komfortable Gelegenheit, den Steinwald bei Kunming auf einer organisierten Gruppenreise zu besuchen.

Die Landschaft der grauen Steinnadeln umgeben von roter Erde und grünen Bäumen war mehr oder weniger die gleiche geblieben – natürlich! Doch das ganze Drumherum hatte sich völlig verändert! Touristisch ist die seltsame Gegend gut erschlossen und mit allem ausgestattet, was der Tourist erwarten darf: Restaurants mit blitzblanken Toiletten, Souvenirshops uvm.

Nur das Dorf mit den gelben Lehmhäusern und den Wasserbüffeln war verschwunden. Alles wirkt nun sauber und ordentlich. Aber es ist nicht mehr das Alte.

Wie immer habe ich auch hier Möglichkeiten gefunden, dem Touristenrummel zu entkommen. Abseits der Hauptwege konnte ich wunderschöne Schmetterlinge entdecken und Vögel in üppig blühenden Büschen zwitschern hören.

Es ist immer noch schön im Steinwald bei Kunming – nur anders!

Infos

Infos (Stand Juni 2019)
Eintrittspreis: RMB 130,- pro Person

Öffnungszeiten: 8:00 – 18:00 Uhr

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