EisZeiten – Die Kunst der Mammutjäger

Frauen der Eiszeit im Mittelpunkt – EisZeiten

Überarbeitet und durch neueste Forschungsergebnisse ergänzt im Dezember 2020

Eine Doppelausstellung vom Völkerkundemuseum und vom Archäologischen Museum in Hamburg (18.10.16 – 14.05.17)

Den einen Teil der Ausstellung „Menschen des Nordlichts“ habe ich bereits besucht (mehr). Nun war es endlich so weit: Auch wenn die Ausstellung schon lange beendet ist, so bleibt das Thema, vor allem die Frauendarstellungen in der Vorgeschichte hochaktuell.

Die Kunst der Mammutjäger

Der Community Abend

Der Community Abend der Museen in Hamburg, allen voran des Archäologischen Museums, wird langsam zu einem lieb gewonnenen herbei gesehnten Event. Dann wird Bloggern, Twitterern und Instagrammern die Ausstellung speziell vorgestellt. Diesmal führte Prof. Rainer-Maria Weiss die begeisterten Besucher in die Welt der Mammutjäger ein und anschließend auch von Vitrine zu Vitrine.

Die Kunst der Mammutjäger - Community abend
Community Abend – Begrüßung

Mit dabei waren auch der Comiczeichner und Archäologe Bent Jensen, sowie der Stencil Künstler René Scheer. Beide Künstler haben sich intensiv mit der Eiszeitkunst auseinandergesetzt und an der Ausstellung mitgearbeitet. Zitat von der Museumsseite: „Bent Jensen präsentiert in der Ausstellung sechs Comics, die das Leben der Eiszeit mit viel Authentizität und Humor darstellen. René Scheer sprayte eine pinkfarbene Venus für den 2,5 x 3,5 Meter großen Banner im Eingangsbereich. Er bringt damit Kunst aus dem urbanen Raum ins Museum und konfrontiert diese mit den Funden der Archäologie.“

Und noch einer durfte wieder nicht fehlen: Bernhard F.W. Röck von der Mammut Kreativ Werkstatt. Das war mein erstes persönliches Highlight, denn ich traute mich, einmal ein solches Stück Mammutstoßzahn und die von ihm als Repliken geschnitzten Figuren anzufassen. Ein Wahnsinnsgefühl! Erkenntnisse:

  • Mammutelfenbein ist sehr schwer
  • Die Figuren fühlen sich glatt und zart an, liegen gut in der Hand
Herz aus Mammut-Elfenbein
Replik eines eiszeitlichen Elfenbein-Pferdchens auf einem Herz aus Mammut-Stoßzahn, beides geschaffen von Herrn Röck

Wenn ich mir so die gewaltigen Stoßzähne ansehe, die ein Mammut mit sich rumschleppte, kann ich mir gut vorstellen, warum die Tiere solche riesigen Köpfe und Schultern hatten. Die Stoßzähne sind durchschnittlich 3 Meter lang und wiegen bis zu 80 Kilogramm. Als längster Stoßzahn eines Mammuts gilt ein am Fluss Kolyma in Sibirien gefundenes Exemplar, das 4,9 m lang und 84 kg schwer ist.

Übrigens: Mammut-Elfenbein darf man im Gegensatz zu dem von heutigen Elefanten handeln und bearbeiten. Die meisten Funde von Mammut-Stoßzähnen werden in Sibirien gemacht.

Die Ausstellung „Kunst der Mammutjäger“

In der Ausstellung kann man nicht nur ein Mammut mit seinem Kind und andere eiszeitliche Tiere bewundern. Im Zentrum stehen die steinzeitlichen Frauenfiguren, die die Eiszeitjäger geschaffen haben. Zeugnisse der ersten Kunst, der Kunst der Mammutjäger.

Frauen der Eiszeit
Venus von Willendorf (Replik)

Bei all den uralten Frauen der Eiszeit darf die Venus von Willendorf nicht fehlen. Natürlich nur als Replik. Das Original bekommt keine Ausreiseerlaubnis aus Österreich. Sie ist einfach zu wertvoll. Sie ist übrigens aus Kalkstein.

Meine liebste Figur ist die einer kopflosen hochschwangeren Frau (Kalkstein) aus Kostenki in Sibirien. Sie hat das stattliche Alter von ca. 25.000 Jahren. Faszinierend, welche Details noch zu erkennen sind! Der Nabel tritt deutlich hervor, wie es bei Schwangeren kurz vor der Geburt vorkommt. Mit ihren Händen scheint sie ein Seil zu halten. Hilfsgerät für die Geburt? Schmuck? Oder gar Bondage (eine Sex-Praxis mit Fesseln), wie ein Kollege meinte? Herrlich finde ich auch die Speckröllchen, die man hinten gut erkennen kann! Solche wunderbaren Details sind ganz liebevoll herausgearbeitet. Das kann man auch an anderen Figuren erkennen. Frisur, Schmuck, Nabel usw. sind häufig detailliert dargestellt.

Frauen der Eiszeit

Neben all den alten Frauenfiguren, die zum ersten Mal außerhalb von Russland (Aussage vom Archäologischen Museum) zu sehen sind, gibt es auch anderes berühmtes Schnitzwerk aus der Steinzeit zu sehen, allerdings als Replik: Der Löwenmensch von Hohlenstein-Stadel im Lonetal ist genauso dabei wie der Kopf der Venus von Brassempouy,

Manche stark vereinfachten Figuren werden als Frauendarstellungen angesehen, auch wenn sich allenfalls ein Bauch oder breites Gesäß (eventuell auch Brüste) erkennen lassen.

Stark vereinfachte Darstellungen der Frauen der Eiszeit

Warum?

Die üppingen Formen

Warum hat sich der Mensch in der Steinzeit hingesetzt und mühsam solche Figuren geschnitzt? Manch einer mag sich nun gerne vorstellen, dass der Steinzeitjäger in den kalten und langen Winternächten am flackernden Feuer saß und schnitzte. Gibt es ja bei den Völkern Sibiriens immer noch. Aber warum dann diese voluminösen Frauenfiguren mit den hängenden Brüsten und den dicken Bäuchen? Als Pinups? Stand Mann damals auf Schwangere?

Die üppigen Formen der Frauen der Eiszeit muss man sich wohl als eine Art Idealvorstellung denken. Die Mammut-Jägerfrau war sicherlich in der Regel nicht so üppig, schließlich musste auch sie hart arbeiten. Aber rundliche Formen sind in vielen Völker heute noch Zeichen für Gesundheit und Wohlstand.

Ich kann mir gut vorstellen, dass die rundlichen Frauenfiguren als eine Art Votiv-Figuren wirken sollten, die Formen sozusagen ein Gebet um eine gesunde einfache Geburt und ein gesundes Kind sind. Eine der ausgestellten Frauen der Eiszeit erinnert sogar direkt an eine Frau beim Geburtsvorgang. Sie hat die Knie angezogen und scheint zu pressen.

Update12-2020:Neueste Forschungen scheinen meine These zu untermauern. Forscher verbinden die Figuren mit den schwierigen klimatischen Verhältnissen während der Eiszeit. Eigentlich ist es kaum denkbar, dass die Jäger und Sammler übergewichtig waren.

Frauen der Eiszeit

Es scheint so zu sein, dass die Figuren weniger rundlich sind, wenn sie weitab von Gletschern gefunden wurden.  Also ist es gut denkbar, dass man mit den üppigen Frauenfiguren eine Idealvorstellung von Gesundheit und Wohlergehen zeigte, die man sich für eine gesunde Geburt und ein gutes Leben wünschte. Quelle: Archaeology Newsnetwork.

Es kam auch die Frage auf, ob es wirklich die Männer gewesen sind, die die Figuren geschnitzt haben. Warum nicht auch Frauen? Denen liegt die Sorge um eine gute Geburt doch viel näher.

Schild im Museum
Theorien gibt es viele, Spekulationen noch mehr. Beweise hingegen gibt es keine

Das Material: Elfenbein und anderes

Ein anderer Aspekt ist das Material. Wie erwähnt bestehen nicht alle Figuren der Frauen der Eiszeit aus Mammut-Elfenbein. Es wurden nicht nur Frauenfiguren geschnitzt. Auch die Tiere aus der Umgebung wurden abgebildet. nicht nur in Elfenbein. Verschiedenste Materialien kamen zur Anwendung. Unter anderem Knochen von anderen Tieren als dem Mammut.

Ich erinnere an den 10.000 Jahre alten Bernstein-Elch aus dem Wendland, den man in Hannover bewundern kann. Bei diesen Gedanken fange ich an zu spekulieren: Sind die Elfenbeinfiguren nur der Gipfel eines Eisberges? Was wäre, wenn sich Holz-Skulpturen genauso gut erhalten hätten? Vielleicht haben die Mammutjäger auch gerne mal Holz und anderes genutzt! Was für eine Vorstellung!

Bei der Ausgrabung mancher der Figuren hat man Hinweise darauf gefunden, wo und wie sie in die Erde kamen. Manche scheinen mit Absicht zerstört worden zu sein. Oder man fand sie an einer besonderen Stelle inmitten einer einstigen häuslichen Umgebung. Bei anderen deutet alles darauf hin, dass sie als Amulett getragen wurden. Die älteste Frauenfigur ist ca. 40.000 Jahre und stammt aus der Hohle Fels-Höhle in der Schwäbischen Alp. Diese hat gar keinen Kopf sondern an der entsprechenden Stelle eine Öse. Interessant, nicht wahr? Denn das bedeutet, dass dem Künstler/der Künstlerin der ausdrucksvolle Körper wichtig war.

Mir fällt nun beim Schreiben auch auf, dass in den berühmten Höhlen wie Lascaux keine Frauen dargestellt sind. Die Höhlenmalereien schätzt man ja auf ein ähnliches Alter. Waren die Tiere ein Jagdzauber und die dicken Frauen ein Geburtszauber? Das eine von den Männern geschaffen, das andere von den Frauen?

Neue Erkenntnisse 2022

Eine Dokumentation im ZDF „Rätselhafte Venus von Willendorf“ beleuchtet die Frauen der Steinzeit, die vor allem durch die Figuren bekannt sind, neu und stellt folgende Thesen auf:

  • Es sind Frauen dargestellt, meist reiferen Alters, die nicht mehr an der Jagd teilnehmen.
  • Sie sind überwiegend nicht schwanger.
  • Sie wurden nicht nur von Männern hergestellt.
  • Frauen und Männer haben gleichermaßen gejagt.

Links

Danke an das Archäologische Museum für diesen spannenden Abend! Es war großartig!

Kunst der Mammutjäger

Impressionen der Ausstellung „Kunst der Mammutjäger“

Kette aus Muscheln
Frauen der Eiszeit
Auch solche einfachen Artefakte, die es sehr zahlreich gibt, werden für Frauendarstellungen gehalten
Der Löwenmensch aus der Schwäbischen Alp (Replik)
Der Löwenmensch aus der Schwäbischen Alp (Replik)
Auch an einen Selfiepoint wurde gedacht: Der optimale Platz für ein Foto mit dem Mammut
Frauen der Eiszeit
Auch wenn das Foto schlecht ist, möchte ich Euch diese merkwürdige Figur nicht vorenthalten: Man sagt, es sei eine Figur, die sowohl weibliche als auch männliche Geschlechtsmerkmale aufweist. Das Ganze erinnert an einen Phallus.
Ulrike

30 Gedanken zu „EisZeiten – Die Kunst der Mammutjäger“

  1. Hallo, Brighid,
    Es ist tatsächlich reine Spekulation, was die Menschen der Vorzeit geglaubt und gefühlt haben. Es gibt für jede Theorie Indizien.Und man darf auch nicht vergessen, dass sicherlich nur ein geringer Teil all der von Menschen damals geschaffenen Kunst bis heute überlebt hat . Wer weiß, was für einen Eindruck wir haben würden, wenn wir auch all die Holzartefakte der Zeit hätten!
    Beste Grüße
    Ulrike

  2. Danke für die Erinnerung, ich muss die Ausstellung auch unbedingt noch sehen! Ich glaube auch nicht, dass Frauen die „Herrschaft“ über Männer hatten, aber auch nicht dass diese Abbilder Pin-Ups waren, also Frauen zu Sexobjekten degradierten. Sondern, dass Frauen als Schöpferinnen des Lebens – und in ihnen die Göttin – verehrt wurden. Schade, dass das für uns heute so schwer vorstellbar ist, oder? 😉 Die Archäologin Maria Gimbutas hat ihr Leben lang dazu geforscht und viele Bücher zu den hier gestellten Fragen geschrieben (falls von Interesse).

  3. ich versteh die Kritik immer noch nicht. Du schreibst einen Artikel über einen Museumsbesuch. Stellst ein paar Fragen in den Raum und ein paar Gedanken, die dir kamen.
    Wenn manche Leute historische Theorien kennen, die diese Fragen klären, könnten sie ja sagen: „Nach der XY-Theorie ist es ja so dass….“ Dann wär man schlauer und hätte ne neue Theorie kennen gelernt. Fertig. Aber warum soll das dein Job sein? Wenn ich Aachen besuche, muss ich doch auch keine Bücher über die „Karl den Großen-gabs-nicht-Theorie“ lesen. *kopfschüttel*
    Also, wenn sie wirklich was beizutragen haben, sich Wissen angeeignet haben über die Zeit – warum teilen sie das nicht einfach mit Dir und deinen Lesern, statt schon wieder von „patriarchaler Gehirnwäsche“ zu labern, bloß weil Du dich damit nicht befasst hast.

  4. da hast Du Recht, Ulrike. Finde es ja schön, wenn Leute ein Hobby haben, aber es muss sich doch nicht jeder auf seinem Blog jedem Thema widmen. Wenn man das Thema häufiger vertreten sehen will, muss man halt selbst darüber schreiben. Das erinnert mich ein bisschen an manchen Herren, der sich darüber beschwerte, dass ich mich nicht mit reisenden Männern befasse. Sollen die Männer doch selbst über ihre Erlebnisse schreiben.

  5. Warum soll sich nicht jede(r) auch Gedanken zur ja leider sehr unbekannten matrilinearen Gesellschaftsform machen können? So ein Zitat ohne Erklärung wäre dazu sicher auch möglich und sehr wünschenswert gewesen.

  6. Das sind Fragen, die ich mal in den Raum stelle, damit jeder sich selbst seine Gedanken dazu machen kann. Das sind Zitate, die keiner größeren Erklärung bedürfen. Wie gesagt, das ist nicht das Thema des Artikels.

  7. Als Gegengewicht zu den Bemerkungen über „stand Mann auf Schwangere“ und „Bondage“ fände ich eine sachliche Ergänzung um den Bereich sehr wichtig, auch für die Leute, die noch gar nichts davon wissen und die sich dann weiterinformieren könnten.

  8. Aber darum geht es weder in dem Artikel noch in der Ausstellung gar nicht. Ich denke, dass die Lebensformen immer schon gemischt waren. Es gab Gemeinschaften, in denen die Frauen das Sagen hatten, in anderen waren es die Männer. Man sollte nie etwas pauschalisieren.

  9. So schöne Bilder! Leider erfasst der Text den wirklichen Hintergrund gar nicht. Haben Sie schon einmal etwas von der Matrifokalitätsforschung gehört oder gelesen? Das setzt alles in einen ganz anderen, viel logischeren und sehr wichtigen historischen Kontext. Es ist ja leider so, dass in unserem Geschichtsunterricht ein ganz wichtiger Teil fehlt, der Teil vor der Machtübernahme durch das Patriarchat.

  10. Danke für die Anerkennung! Sobald ich mir den Katalog besorgt habe (Ich gehe gleich los und guck mal bei Thalia), kommen wahrscheinlich noch Ergänzungen…
    Beste Grüße und dank für die Einladung
    Ulrike

  11. Wow! Das ist ja beeindruckend – der längste Stoßzahn eines Mammuts: 4,9 m lang und 84 kg schwer!!!
    Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen, liebe Ulrike.
    Liebe Grüße
    Gretlies

  12. Sicher eine tolle Ausstellung ! Was ist denn der Hintergrund auf dem Foto mit dem Elfenbeinpferd ? Es ist auf jeden Fall eine wunderschöne Komposition, farblich und strukturell …

  13. Es geht mir genauso! Ich bin im Grunde erst durch das Schreiben des artikels auf viele Fragen gekommen. War auch sehr interessant, noch danach zu recherchieren. Leider hab ich vergessen, mir den Katalog zur Ausstellung zu kaufen. Aber das kann ich noch nachholen.
    Beste Grüße
    Ulrike

  14. Ja, es ist eine tolle Ausstellung. Nein, der Löwenmensch ist hier nur eine Replik. Trotzdem beeindrucken. Ich hätte die Höhle auch gerne mal gesehen!

  15. Ich habe schon öfters gelesen/gehört, dass in grauen Vorzeiten die Frauen das Sagen hatten. Vielleicht sind die Künste deshalb damals auch aufgeteilt gewesen, die Männer durften zeichnen und malen, und die Frauen schnitzen und formen, weil sie ja augenscheinlich auch dem neuen menschlichen Leben die Form gegeben haben. 😉
    Da kommen jetzt sehr viele und vielschichtige Gedanken auf, an denen werde ich ein Weilchen herum kauen. 😉
    Herzliche Grüße!

  16. Die Ausstellung hätte ich auch gern gesehen! War der Löwenmensch im Original da? Ich habe ihn damals in Ulm gesehen und war auch in der Höhle, in der er gefunden wurde. Ich mag ihn ganz besonders, auch weil sein Entdecker Otto Völzing der Vater meines Deutschlehrers auf dem Gymnasium war 🙂

Ich freue mich auf Deinen Kommentar!