19.03.1992 Nashörner im Chitwan Nationalpark

Zuletzt aktualisiert vor 6 Monaten

Nach ein paar Tagen in Kathmandu mache ich mich auf zum Chitwan-Nationalpark. Auf mehr als 2.000 Quadratkilometern haben viele Tiere, vor allem Tiger und Nashörner, ein riesiges Revier, in dem sie frei von Nepal nach Indien streifen können. Seit 1984 ist der Chitwan Nationalpark UNESCO Weltkulturerbe. Die Liste der Tiere, die Wikipedia aufzählt, ist beeindruckend.

Ich bin immer noch ganz stolz darauf, viele Tiere dort in freier Wildbahn gesehen zu haben: Unter anderem einen Gabial, ein außerordentlich seltenes Krokodil, Lippenbären, Axishirsche, eine Tigerpython, diverse Affenarten. Und Nashörner! Ich glaube, ich habe insgesamt in zwei Tagen 9 Panzernashörner gesehen, eine Zahl, die sogar den Wirt meines Gasthauses erstaunte.

Für viele seltene Vögel ist der Park auch bekannt. Ich habe so einige gesehen, kenne mich aber nicht damit aus.

Für mich waren die Tage in dem Nationalpark ein außergewöhnliches Naturerlebnis. Ich kenne keinen der großen Parks in Afrika, aber viel interessanter dürfte es dort auch nicht sein.

Nur: Es ist mir nicht gelungen, einen Tiger zu sehen – oder doch? Lest hier: Von der Angst unterwegs – Tiger!

Lest weiter in meinem Reisetagebuch von 1992

19.03.1992 Mit leichtem Gepäck

Es ist ein merkwürdiges Gefühl, als ich mit dem ungewöhnlich leichten Rucksack zum Bus gehe. 6 Stunden dauert die Fahrt zum Chitwan Nationalpark. Sie geht am Anfang den gleichen Weg entlang, wie auf der Herfahrt von Delhi. Jetzt sehe ich bei Tageslicht die Strecke, wo der Busfahrer beim Stopp geschlafen hat. In engen Haarnadelkurven windet sich der Bus den steilen Berg hinunter. Ich bekomme Panik und bin froh, dass ich diese Straße auf der Fahrt hierher nicht gesehen habe, weil es dunkel war.

Der Chitwan Nationalpark liegt im sumpfigen Gebiet an der Grenze zu Indien. Dieser Sumpf hat dafür gesorgt, dass Nepal und Indien bis vor einigen Jahrzehnten kaum richtigen Kontakt hatten, denn er war Malaria verseucht und nur an wenigen Stellen passierbar. Aber schon vor mehr als 100 Jahren diente der Park als Jagdrevier der Vornehmen und Reichen.

Als mein Bus sich der Ebene nähert, wird die Luft merklich wärmer. Zuerst fahren wir durch dichte Wälder, bis wir schließlich in der fruchtbaren Ebene ankommen. Dann muss ich noch in ein Sammeltaxi umsteigen, um zum eigentlichen Eingang des Nationalparks zu kommen. Es gibt auch wunderbare Unterkünfte direkt im Park, aber die sind sehr teuer. Mir reicht ein hübscher Bungalow auf Stelzen mit Veranda und Badezimmer im Dorf Sauraha am Rande des Flusses, der hier den Park von den Feldern trennt.

Trommeln klingen im Dorf

Das Dorf besteht hauptsächlich aus Bungalowanlagen für die Touristen und einem einfachen Hüttendorf für die Einheimischen. Ich gehe in ein Restaurant, von dem aus man den Fluss sehen kann. Ich bin fasziniert von den vielen Wasservögeln, die so ganz nahe sind.

Auf einmal ertönen Trommeln. Eine Gruppe tanzender junger Männer nähert sich dem Restaurant. Jemand erklärt, dass das noch ein Teil der Festivitäten zum Holi-Fest sind. Die Männer sind mit Hose und T-Shirt bekleidet, trommeln, tanzen und singen. Ich fühle mich als Beobachterin mit meinem Teller Bratkartoffeln ziemlich fremd

Ein britisches Paar erzählt mir, dass es hier viele seltene Wasservögel gibt. Sie sind nur deswegen hier und können mir auch die Namen der einzelnen Enten nennen. Doch die vergesse ich gleich wieder.

Ich habe heftige Kopfschmerzen, als ich mich endlich schlafen lege. Der Ventilator summt leise. Ich liege unter dem Moskitonetz und warte im Halbschlaf darauf, dass die Kopfschmerzen nachlassen. Für morgen habe ich mir einen Führer für eine Tour zu Fuß durch den Nationalpark engagiert.

Zu Fuß zu den Nashörnern

Am nächsten Morgen sind die Kopfschmerzen vorbei und ich genieße mein Frühstück auf der Veranda. Ich will es mir hier mal ein wenig gut gehen lassen. Dann kommt der junge Mann, der mich durch den Park führen soll. Wir gehen los.

Zunächst waten wir durch den flachen Fluss, der das Dorf vom Nationalpark trennt, dann geht es auf einem Trampelpfad immer am Wasser entlang. Wahrscheinlich ist es schade, dass ich die vielen seltenen Vögel nicht so richtig zu schätzen weiß. Doch ich finde die Krokodile am anderen Ufer viel interessanter.

Der junge Mann erklärt mir alles sehr gründlich. Dann macht er mich auf Spuren im Sand aufmerksam: große Tatzenabdrücke!! Tiger! Und nicht weit davon ein recht frischer Kothaufen, der auch vom Tiger stammen soll. Ich bin sehr beeindruckt. Ich weiß, dass es Tiger im Chitwan Nationalpark gibt. Aber dass man so schnell auch Spuren davon sieht, hätte ich nicht gedacht! (Meine kurze Begegnung mit dem Tiger lest Ihr hier)

Chitwan Nationalpark
Der Chitwan-Nationalpark (Nepali चितवन राष्ट्रिय निकुञ्ज Citvana rāṣṭriya nikuñja) ist ein Nationalpark in Nepal, der 1973 als erster Nationalpark des Landes unter dem Namen Royal Chitwan National Park gegründet wurde. Er nimmt eine Fläche von 932 km² ein und liegt im Terai, den südlichen Vorbergen des Himalaya. Die südliche Grenze des Nationalparks ist zugleich die Landesgrenze zu Indien. Im Osten schließt sich das Parsa-Wildreservat an. Im Norden bildet der Fluss Rapti und im Westen der Fluss Narayani eine natürliche Begrenzung zu besiedelten Gebieten. Zusammen mit dem Parsa Wildlife Reserve und dem in Indien gelegenen Valmiki-Nationalpark bildet das Gebiet die über 2000 km² große Tiger Conservation Unit (TCU) Chitwan. Wikipedia

Achtung! Rhino!

Als wir in den Wald hinein kommen, warnt mich der Junge: Hier können wir von einem höher gelegenen Weg die flache Graslandschaft überblicken, wo sich immer Nashörner finden. Er sagt, dass ich auf einen Baum klettern soll, falls sich uns ein Rhino nähert. Ich auf einen Baum??? Das kann ich mir gar nicht vorstellen! Ich schaue mir skeptisch die mageren Bäume an, finde auch einen, den ich mir für den Notfall vormerke.

Da sehen wir auch schon im hohen Gras den dunklen Rücken eines riesigen Nashorns! Im nächsten Augenblick können wir beobachten, wie sich von der anderen Seite ein Elefant mit Touristen auf dem Rücken nähert. Das Rhino hebt den Kopf. Die Tiere können nicht gut gucken. Aber offensichtlich kann dies hier gut hören und riechen. Das Nashorn wird nervös. Der Elefant kommt ihm immer näher. Die Touristen auf dem Rücken rufen sich laut ihre Freude zu.

Das wird dem Rhino zu viel. Es stürmt von dem Elefanten weg, also auf uns zu! Ich kann gar nicht so schnell reagieren, trete kurz hinter den Stamm eines Baumes, mein Guide ist schon den nächsten Baum hinaufgeklettert. Da stürmt dies Riesenvieh 10 Meter vor uns über den Weg und ist in Sekunden im Wald verschwunden! Das war wirklich ein riesiges Nashornmännchen. Nicht ungefährlich!! Der Guide ist froh, dass nichts passiert ist. Ich auch!

Python, Bären, Antilopen, Affen

Wir gönnen uns eine kurze Erholungspause, dann gehen wir weiter. Der lichte Wald ist von weiten Lichtungen durchsetzt. Einmal laufen einige Wildschweine vor uns davon. Mein Guide wundert sich, dass ich so ruhig bleibe. Die Wildschweine können auch ziemlich gefährlich sein. Ich kenne diese Tiere doch nur aus dem Fernsehen. Wahrscheinlich habe ich deshalb kein Gefühl für die Gefahr.

Ich träume immer wieder den wunderschönen großen Schmetterlingen, die überall herumflattern, hinterher. Da zeigt der Junge auf eine Stelle im Gras. Als ich näher hin gucke, sehe ich den Körper einer riesigen Schlange, die sich in der Sonne zum Schlafen zusammengerollt hat. Eine Tiger Python! Mein Guide mahnt zur Vorsicht. Er will mir eine Stelle zeigen, von der aus ich die Schlange in Ruhe fotografieren kann. Doch als wir dort ankommen, ist die Schlange verschwunden.

Dafür sehen wir im Laufe des Tages noch einen kleinen Bär, einige Hirsche und Antilopen sowie diverse Vögel wie u. a. Störche, Brahmanenenten und wilde Hühner. Die Schreie der wilden Pfaue sind unsere ständigen Begleiter. Insgesamt können wir 5 Nashörner beobachten, darunter ein Weibchen mit seinem Jungen. Ich fühle mich richtig gut. Stundenlang könnte ich noch weiter gehen. Doch mein Guide winkt ab! Jetzt ist genug!

Abends in der Lodge erzähle ich den anderen Gästen voller Freude von den Tieren, die ich gesehen habe. Ich möchte natürlich noch einen richtigen Tiger sehen. Dazu buche ich für den nächsten Tag eine Jeep-Tour.

Mit dem Jeep zu den Krokodilen

Auf dem Jeep-Ausflug bin ich nicht alleine, denn das wäre zu teuer. Noch ein paar andere Westler sind dabei. Zuerst geht die Fahrt zu einer Krokodilfarm. Das finde ich eher nicht so spannend. Doch dann fahren wir zu einer Lichtung, wo das Gras gemäht ist, damit man den Tiger schon von weitem sehen kann. Lange harren wir auf einem Hochstand aus, um endlich einen Tiger zu sehen. Doch damit haben wir kein Glück. Dafür sehen wir Wildschweine und Antilopen. Auf einem schmalen Weg fahren wir durch den Wald. Dabei sehen wir einen großen Bluebull und ein paar Lippenbären.

Mitten im Wald hält der Fahrer an einem Teich an. Da! Ein großes männliches Nashorn steht im Wasser und blinzelt uns irritiert an. Wir haben Zeit und Gelegenheit, dem Tier ganz nahe zu kommen. Ich bin froh, dass ich das Teleobjektiv dabei habe. In den hohen Bäumen turnen einige Affen und machen ein großes Geschrei. Da flüchtet sich das Rhino tiefer in den Wald. Aber wir sehen noch mehr Nashörner. Ich bin völlig hingerissen von den Tieren: auch Königsfischer, Ibisse, Sittiche und Fledermäuse sehen wir.

Auch eine Erkältung kann mich nicht mehr stoppen

Abends sind wir aufgeregt wie erfolgreiche Großwildjäger und zählen auf, was wir alles beobachtet haben. Unser Wirt bestätigt uns, dass wir erstaunlich viele Rhinos gesehen haben. Das wird durch das Gästebuch bestätigt, wo die Gäste alle fein säuberlich eintragen, wie viel Tiere und welche sie wann gesehen haben. Es ist unglaublich schön, hier in der milden Abendsonne auf der Terrasse zu sitzen, Tee zu trinken und die tropische Luft zu genießen!

Nur meine immer wiederkehrenden Kopfschmerzen machen mich verrückt. Ich schniefe und niese auch die ganze Zeit. Vielleicht bin ich gegen das Insektengift allergisch, mit dem hier die Räume ausgesprüht werden. Da ich alleine bin, kann ich niemanden annörgeln. Also tue ich so, als ob es mir gut geht. Es ist ja auch von Vorteil, wenn man eine Ausrede fürs Faulenzen hat!

Nach einem ruhigen Nachmittag bin ich am nächsten Tag wieder unterwegs. Diesmal um mir den nächsten größeren Ort an der Hauptstraße anzusehen. Ich muss dringend Geld tauschen. Das ist in der Bank von Tahdi Bazar ein richtiges Erlebnis! Zuerst müssen der Scheck und diverse Formulare ausgefüllt werden. Das heißt, dass ich jedes Mal Schlange stehen und warten muss, bis ich an der Reihe bin. Die Nepali sind nicht wie die Engländer, die ordentlich in einer Reihe warten. Sie drängeln mindestens genauso wie die Chinesen. Da kommen mir meine China-Erfahrungen zu gute.

Während ein junger Engländer immer wieder abgedrängt wird, stehe ich bald mit allen erforderlichen Papieren am Auszahlungsschalter und habe schnell mein Geld in den Händen. Anschließend schubse ich den Engländer mit sanfter Gewalt in die durch mich frei werdende Lücke am Schalter. Sonst würde er wahrscheinlich noch morgen darauf warten, dass er an die Reihe kommt! Er grinst mich erstaunt und auch erleichtert an.

Nachdem ich endlich auch die Post gefunden habe, wo ich meine vielen Briefe aufgebe, die ich in den letzten Tagen geschrieben habe, zeigt mir ein Nepali den Weg zu einem Restaurant, wo Leute essen, mit denen ich gestern im Jeep unterwegs war. Woher der nur weiß, dass wir uns kennen?? Statt wie auf der Hinfahrt mit einem Sammeltaxi zurück nach Sauraha zu fahren, gehe ich die 6 Kilometer zu Fuß. Ich brauche dafür in der Mittagshitze zwei Stunden. Der Fußmarsch macht mir viel Spaß. Ich kann das Landleben beobachten und eine Schule angucken, wo die Kinder, die alle adrette Schuluniformen tragen, gerade Pause haben. In einem flachen Fluss waschen junge Männer ihre kleinen Lastwagen. Irgendwie erinnert mich ihr Anblick an die Arbeits-Elefanten, die nach der Arbeit im Fluss baden dürfen.

Am Abend sitze ich auf meiner Veranda und zähle meine Wehwehchen: Durchfall habe ich jetzt, Kopfschmerzen auch. Schnupfen und Husten kommen hinzu. Dann bekomme ich auch bald meine Tage, was immer von Depressionen begleitet wird. Ich sollte jetzt nach Pokhara fahren, damit es mich erst dort erwischt und nicht schon unterwegs. Trotz des leckeren Biers und dem wunderbaren Vogelgezwitscher beim Sonnenuntergang fühle ich mich elend und deprimiert.

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Wie alles begann

Ulrike

5 Gedanken zu „19.03.1992 Nashörner im Chitwan Nationalpark“

  1. Liebe Ulrike,
    da hattest du einen richtigen Schreckensmoment mit „deinem“ Nashorn. Mir wäre das Herz in die Hose gerutscht! Vermutlich war das Nashorn aber mindestens genauso erschrocken…

    Lg Kasia

  2. Ja, das finde ich auch! Nur leider habe ich die nicht alle fotografieren können. Und die Scans von meinen dias sind einfach nur furchtbar! Irgendwann werde ich meine Dias professionell scannen lassen.

  3. Danke! Habe – außer im Chitwan NP – noch nie Wildschweine in freier Natur gesehen. Sollen ja sehr gefährlich sein. Ich hab auch ziemlichen Respekt. Doch bei den Nashörner fühlte ich mich durch meine kundige Begleitung recht sicher. Die Nashörner können ja nicht wirklich gut gucken und laufen auch am liebsten vor dem Menschen weg.
    LG
    Ulrike

  4. Zu Fuß zu den Nashörnern? Ganz schön mutig! In Afrika habe ich welche gesehen, aber ich saß in einem Jeep und hatte schon dabei ein Flattern im Bauch. Ich habe wahnsinnigen Respekt vor Tieren – egal ob groß und mächtig oder kleiner -, beobachte sie aber auch wahnsinnige gerne in freier Wildbahn. Hier bei uns gibt es übrigens Wildschweine, die nicht zu unterschätzen sind! Liebe Grüße, Jutta

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