Pekings verschwundene Stadtmauer

Zuletzt aktualisiert vor 8 Monaten

Peking besaß einst eine mächtige Stadtmauer. Ihre Ursprünge reichen zurück bis in die mongolische Yuan-Dynastie (1279 – 1368), als Peking die Hauptstadt des Reiches wurde. Sie wurde mehrfach erweitert, verschoben und umgebaut. Ihre Spuren finden sich noch heute im modernen Stadtplan wieder.

Foxtower an Pekings Stadtmauer
Foxtower, einer der wenigen noch existierenden Wachtürme

Pekings Stadtmauer, wenig bekannt

Stadtplan Altes Peking

Die Stadtmauer in der Ming-Dynastie

In der Ming-Dynastie erreichte die Stadtmauer schließlich ihre größte Ausdehnung, wobei es sich eigentlich um zwei Mauerringe handelte: Die nördliche Stadtmauer umfasste den Bereich, der einst die Tatarenstadt genannt wurde. Dies ist die sog. Innere Stadt (hellblau). Im Zentrum liegt der Kaiserpalast.

Im Süden des Platz des himmlischen Friedens liegt die südliche Grenze zur „äußeren Stadt“. Dort fällt dem Besucher das stattliche Qianmen-Tor ins Auge, das eigentlich ein Wachturm ist und mit dem Tor Zhangyangmen eine Einheit bildet,

Die Qing-Dynastie

Die Länge der Stadtmauer während der Qing-Dynastie betrug 24 km (zum Vergleich: die gut erhaltene Stadtmauer von Xi’an ist rund 14 km lang). Hinzu kommt die Stadtmauer, die die sog. Äußere Stadt umgab. Um beide Bezirke herum mass die Stadtmauer Pekings ehemals überwältigende 40 km, also weit mehr als die von Xi’an!

Einst hatte die Stadtmauer von Peking neun Stadttore: Deshengmen, Andingmen, Dongzhimen, Chaoyangmen, Chongwenmen, Zhengyangmen, Xuanwumen, Fuchengmen und Xizhimen. Die neun Tore bildeten einen wichtigen Bestandteil des alten Peking. Jedes Tor hatte seine spezielle Funktion.

Zum Beispiel zog die kaiserliche Armee im Falle eines militärischen Konfliktes immer durch das Tor Deshengmen in die Schlacht, da das Wort „Desheng“ gleich ausgesprochen wird wie das chinesische Wort für Sieg. Die Rückkehr der Armee erfolgte jeweils durch das Tor Anding, 安定 das Tor des Friedens und der Seelenruhe.

Fun Fact: 安定 āndìng heißt heute auch das Beruhigungsmittel Diazepam auf Chinesisch.

Von diesen Toren existieren heute nur noch drei: Das Deshengmen Tor im Norden, das wieder aufgebaute Tor Yongdingmen im Süden und das Qianmen im Zentrum. Die verschwundenen Stadttore sind noch gegenwärtig durch die entsprechenden Namen im Stadtplan. Heute befinden sich an diesen Stellen in der zweiten Ringstraße große Kreuzungen und bedeutende U-Bahn-Bahnhofe.

Qianmen
Qianmen Tor im Süden des Platz des Himmlischen Friedens
Zhangyangmen
Zhangyangmen

Bis zum Boxer-Aufstand (um 1900) wurde die Stadtmauer sorgfältig instand gehalten. Doch dann fiel das kaiserliche China in Chaos. Die Stadtmauer stand auf der Prioritätenliste nicht mehr ganz oben. Nach dem Ende der Qing-Dynastie, als die Stadtmauer schon in einem schlechten Zustand war, wurden an mehr und mehr Stellen Durchbrüche geschlagen, um für Straßen Platz zu machen. Die Bewohner der umliegenden Stadtviertel nutzten außerdem die gewaltigen Befestigungen gerne als Steinbruch, um ihre Häuser zu bauen.

Die Neuzeit: Platz schaffen

Nach der Gründung der VR China 1949 wurde eine gründliche Debatte um Erhalt oder Abriss geführt, während gleichzeitig immer mehr Teile der alten Stadtmauer verschwanden. Es wurde notwendig, Platz zu schaffen für den Bau der Pekinger U-Bahn und der 2. Ringstraße, die heute weitestgehend der Befestigung der Äußeren Stadt folgt. Also setzten sich zunächst die Befürworter des Abrisses durch. Der zur Stadtmauer gehörende Befestigungsgraben wurde teilweise in die Kanalisation integriert.

1979 wurde der Abriss der Stadtbefestigungen gestoppt. Doch es war zu spät, um eine Stadtmauer in größeren Teilen präsentieren zu können. Wenig ist erhalten. Manches wird heute aber liebevoll gepflegt und renoviert.

Rettung der Reste

Ein ungefähr 400 Meter langes Stück in der Nähe des alten Pekinger Bahnhofs hat man liebevoll restauriert. Dort kann man im Stadtmauerpark auch den einzigen erhaltenen Eckturm sehen. Dieser Wachturm (Dongbianmen) erhielt eine gruselige Berühmtheit als „Foxtower“ in dem Drama um die 1937 ermordete Pamela Werner („Midnight in Peking“ von Paul French). Außerhalb des Stadtmauerparks sind auch noch fast 2 Kilometer vorhanden, aber nicht renoviert.

Im September 2015 war ich im Stadtmauerpark. Hier einige Impressionen:

Von einst 16 Stadttoren und den zahlreichen Wachtürmen kann man heute noch die Tore Deshengmen, Qianmen (am Platz des Himmlischen Friedens) sowie das 2004 nach Originalplänen wiedererrichtete Yongdingmen im Süden sehen.

Den Wachturm kann man besichtigen und auch ein paar Schritte auf der Stadtmauer laufen. Von dort gibt es einen sehr guten Blick auf den alten Bahnhof von Peking.

Für einen ausführlichen Spaziergang bei herrlichstem Wetter und tollen Fotos empfehle ich den Artikel „Pekings Stadtmauer“ auf dem Blog Ombidombi.

Das Tor Deshengmen

Das Deshengmen (德胜门 Tor des tugendhaften Triumphes) ist eine beeindruckende Anlage im Norden der Inneren Stadt. Einst erschien es glücksverheißend, wenn die Truppen durch dieses Tor in den Kampf zogen. Heute lohnt sich ein Besuch zum einen wegen des Ausblicks auf Peking zum anderen wegen des kleinen aber feinen Münzmuseums, das hier untergebracht ist.

Deshengmen Tor in der Stadtmauer
Deshengmen mit Resten des einstigen Befestigungsgraben

Das Tor Yongdingmen

Interessant ist auch das Yongdingmen (永定门 Tor der ewigen Stabilität. Es wurde 1766 erbaut und in den 1950er Jahren abgerissen. Aber die originalen Baupläne blieben erhalten. So konnte man 2004 das Tor wieder originalgetreu errichten.

Yongdingmen
Yongdingmen

Wer sich eine beeindruckende komplett erhaltene Stadtmauer ansehen möchte, muss nach Xi’an reisen.

Auf der Stadtmauer von Xi'an im Winter
Auf der Stadtmauer von Xi’an im Winter

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Ulrike

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