Weihnachten in Peking 1993

Viele von uns haben schon mal Weihnachten an einem anderen Ort als Zuhause verbracht. Irgendwo, wo man fremd war, wo alles ganz anders war, als man es gewohnt ist. Und wenn es nur mal im Harz war, wo Schnee liegt  – was ja ganz anders ist als in unserem regnerischen Norddeutschland.

Weihnachten 1993 in Peking

Ich war zu Weihnachten 1993 in Peking im fernen China. Da ist nun alles ganz anders als gewohnt. Die Chinesen feiern kein Weihnachten. Die meisten sind auch keine Christen. Es war damals in Peking sogar verboten, die Straßen mit Lichtern zu schmücken oder Weihnachtsbäume in die Schaufenster zu stellen. Nur für einige große internationale Hotels wurden Ausnahmen gemacht. Trotzdem habe ich in Peking so schön Weihnachten gefeiert wie selten in meinem Leben.

Viele Menschen aus der ganzen Welt leben in China, weil sie dort arbeiten oder studieren so wie ich damals. Ich wohnte in einem Studentenwohnheim der Pekinger Sprachenuniversität und lernte Chinesisch zusammen mit vielen Deutschen, Amerikanern, Afrikanern und anderen. Es gab Muslime, Juden, Buddhisten und natürlich auch viele Christen.

Unterricht oder nicht?

Obwohl Weihnachten kein offizieller Feiertag war, musste die Universität uns Christen einen Tag freigeben, weil wir so viele waren. Alle anderen Studenten und auch die chinesischen Lehrer hatten normalen Unterricht. Wir jedoch freuten uns über die freie Zeit.

Der 25.12.1993 war ein Samstag und damit ein ganz normaler Unterrichtstag. Manche chinesische Kommilitonen waren etwas neidisch, dass wir ausnahmsweise frei hatten.

Großes Entsetzen, als manch ein Westler sagte: „Wenn wir nicht frei bekommen, dann nehmen wir uns frei!“ So viel Eigenmächtigkeit hätte sich kein chinesischer Student getraut.

Ich glaube, das ist der Unterschied. Sicherlich würden chinesische Studenten in Deutschland nicht automatisch am chinesischen Frühlingsfest frei bekommen. Aber wenn sie frei machen wollen, wären wir nicht so entsetzt. Und, wenn es nicht zu viel mit dem Freinehmen wird, bliebe das auch ohne Strafe. An der Uni damals mussten chinesische Studenten bei ungenehmigtem Fernbleiben vom Unterricht mindestens eine Selbstkritik schreiben.

Peking eiskalt

In Peking ist es im Dezember sehr kalt, aber es fällt selten Schnee. Wir gewöhnten uns in diesen Wochen daran, unsere dicksten Pullover zu tragen und lange wollene Unterhosen. Im Unterricht trugen wir unsere Daunenjacken, Schal und Handschuhe. Denn die alten Fenster schlossen nicht richtig.

So ganz ohne Weihnachtsmarkt mit Glühwein macht diese Kälte aber gar keinen Spaß!

Deshalb war ich sehr froh, als mir meine Mutter Anfang Dezember ein Päckchen schickte, in dem sich zu meiner größten Freude neben Keksen und Marzipan auch ein Päckchen Glühfix befand! Da es guten Rotwein in Peking zu kaufen gab, konnten wir uns nun Glühwein machen!

Beijing Language Institute Weihnachten in Peking
Beijing Language Institut im Winter

Nikolaustag mit Glühwein

Das war für mich ein Anlass, alle deutschen Studenten zum Nikolaustag einzuladen. Am 6. Dezember trafen wir uns in einem der kleinen Studentenzimmer. Auf einer Kochplatte stand ein großer Topf, in den wir den Rotwein getan hatten und die Beutel mit dem Glühfix. Das roch wunderbar! Der Duft der Gewürze lockte auch andere Studenten aus ihren Zimmern.

Einige brachten Kekse mit. Für die nichtdeutschen Studenten war es völlig rätselhaft, warum wir hier so fröhlich feierten – schließlich war ja noch gar nicht Weihnachten. Glücklicherweise hatten wir Hans bei uns, einen deutschen Pastor, der auch Chinesisch studierte und uns erklären konnte, wer St. Nikolaus ursprünglich gewesen ist.

Nikolaustag
Der historische Nikolaus war Bischof in Myra, in der heutigen Türkei. Es gibt viele Geschichten, wie Nikolaus den Menschen half. Besonders gerne beschenkte er die Kinder. Er starb am 6.12.343. Im Gedenken an diesen Bischof feiern wir heute den Nikolaustag.

Wir saßen in dieser engen Studentenbude um den Topf mit Glühwein herum, Kerzenlicht flackerte und wir erzählten von Weihnachten zuhause. Das kalte Peking war vergessen, und die meisten von uns fühlten an diesem Tag am deutlichsten ihr Heimweh.

Feiern jeden Tag

Danach feierten wir fast jeden Tag Weihnachten. Einmal lud ein Amerikaner zur Feuerzangenbowle ein, dann feierten die Kanadier. Oder die Finnen. Und jedes Mal durfte ich dabei sein und mitfeiern.

Kurz vor Weihnachten dann lud uns die Deutsche Botschaft zur Weihnachtsfeier ein. Wir deutschen Studenten fuhren alle hin! Der Botschafter und seine Gattin begrüßten uns am Eingang der Botschaft. In einem Saal war ein großes Buffet aufgebaut. Direkt am Fenster stand ein riesiger, wundervoll geschmückter Weihnachtsbaum mit bunten Kugeln und Lichtern.

Hans, unser Pastor, zelebrierte eine kurze Andacht, dann sangen wir ein paar Weihnachtslieder. Wir waren beeindruckt von dem Buffet. Der Botschafter wusste nämlich genau, was Deutsche fern der Heimat brauchen.

Es gab ungeheure Mengen leckeren Christstollen, Kekse und echten deutschen Kaffee. In riesigen Kesseln köchelte eine Erbsensuppe. Auch wenn der Christstollen aus Deutschland eingeflogen worden war, so war doch die Suppe aus chinesischen Erbsen-Konserven hergestellt. Das sah man deutlich an der Farbe der Suppe: Dosenerbsen haben in China nämlich eine giftgrüne Farbe. Trotzdem schmeckte sie sehr gut. Unter allen Feiern, die wir in dieser Zeit erlebten, war dies sicher die schönste.

Ein Adventsgottesdienst in Peking

Am dritten Advent ging ich zum Gottesdienst in der Pekinger Südkathedrale. Diese große neugotische Kirche ist die Hauptkirche der chinesischen Katholiken. Die Kirche war voll. Manche Leute mussten sogar stehen.

Es waren nicht nur Chinesen da. Es gibt viele Nichtchinesen, die ihr ganzes Leben in Peking verbringen. Ich verstand kaum ein Wort der Predigt, aber die Lieder, die gesungen wurden, waren Weihnachtslieder wie Stille Nacht Heilige Nacht. Zum Schluss sang eine Frau auf der Empore „Oh du fröhliche…“ auf Chinesisch. Sie hatte eine wundervolle Stimme. Es klang, als ob Engel singen.

Heiligabend! Halleluja!

Doch mein persönlicher Höhepunkt kam an Heiligabend. Die meisten Christen in aller Welt feiern erst am 25.Dezember. Doch am Heiligabend versammelten sich auf dem Platz vor unserem Wohnheim einige amerikanische Studentinnen im Kreis, hielten Kerzen in den Händen und sangen Weihnachtslieder.

Die Menge wurde schnell grösser. Jemand brachte seine Gitarre, zwei Afrikaner holten ihre Trommeln. Im Schein der Kerzen leuchteten die Gesichter. Jemand kam auf die Idee, die Kerzen in Kreuzform auf dem Boden aufzustellen. Wir bildeten einen Kreis um die Kerzen. Es war eiskalt und dunkel. Die Trommeln dröhnten fremde Rhythmen in die Nacht.

Langsam setzte sich die Menge in Bewegung. Laut „Halleluja!“ singend gingen wir erst langsam und dann immer schneller um das Kerzenkreuz herum. Es herrschte eine eigentümlich feierliche Stimmung. Die dunklen Gesichter der Afrikaner glänzten, jeder sang, jeder lachte. Im Hintergrund standen einige Chinesen und schauten uns verwundert zu.

Dies war so ganz anders als zuhause und deshalb etwas ganz besonders Schönes. Kein Heimweh, keine Nostalgie sondern ein Weihnachten, wie es für uns nur in Peking sein konnte, Weihnachten in Peking eben!

Wie sieht Weihnachten in Peking aktuell aus? Das beschreibt Linni vom Blog Ombidombi mit vielen Weihnachtssongs hier

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