Pfefferspray: Hätte es geholfen?

Zuletzt aktualisiert vor 8 Monaten

Noch immer ist mein alter Artikel „Hände weg vom Pfefferspray unterwegs“ einer meiner meist gelesener Artikel auf diesem Blog. 2016 Damals habe ich mich sehr strikt gegen den Gebrauch von Pfefferspray auf Reisen ausgesprochen. Aber die vielen Suchanfragen, die Diskussionen auf Reiseforen und auch Artikel von Reisebloggern, die sich für den Gebrauch von Pfefferspray einsetzen, haben mich nachdenklich gemacht. Sollte es wirklich Situationen geben, in denen der Einsatz von Pfefferspray sinnvoll ist?

Hilft Pfefferspray im Notfall wirklich?

Ich habe mich umgehört und im Internet recherchiert. Und mir Gedanken gemacht über Situationen, die  brenzlig waren und die eventuell den Gebrauch von Pfefferspray sinnvoll erscheinen lassen würden. Ich reise seit mehr als 40 Jahren durch die Welt, habe noch nie Pfefferspray dabei gehabt und habe so einiges auch an gefährlichen Situationen erlebt.

Persönliche Erfahrungen mit gefährlichen Situationen

Überfall in Edinburgh

Das ist schon ewig her. Die genauen Umstände erfahrt Ihr hier: Von der Angst unterwegs – Der Überfall. Das ist eigentlich der einzige Fall, wo ich ernsthaft darüber nachdenke, ob Pfefferspray mir tatsächlich geholfen hätte. Der Mann bedrohte mich, im Freien. Eigentlich gute Voraussetzungen für den Gebrauch einer Waffe oder eines Sprays. Doch was wäre gewesen, wenn er tatsächlich eine Pistole in der Manteltasche gehalten hätte? Hätte er nicht eventuell reflexartig ausgelöst? Wäre die Situation eskaliert? Letztlich war der Mann nicht wirklich gefährlich. Ich schmunzele heute noch, wenn ich daran denke, wie erschrocken er war, als er mein harmlos zusammengeklapptes Taschenmesser sah. Ich bin davon überzeugt, dass Pfefferspray alles nur schlimmer gemacht hätte.

Vergewaltigung im Hause eines Freundes in Griechenland

Damals war ich sehr jung. Als ich schon im Bett lag, gesellte sich ein angetrunkener Mann zu mir und vergewaltigte mich. Ich hätte laut um Hilfe rufen müssen. Aber ich schämte mich und ließ alles über mich ergehen. Pfefferspray? Nein, hätte gar nichts gebracht! In einem kleinen Zimmer und mit dem Mann so nahe: Da hätte ich mich nur selbst schlimm verletzt.

Der Rote Turban in Indien

Von dem Mann habe ich schon in meinem Reisetagebuch von meiner Großen Asienreise 1991/92 berichtet: Amritsar
Auch hier war die Situation nicht günstig für den Einsatz eines Sprays: ein enges Zugabteil, andere Menschen. Ja, ich hätte andere Leute im Abteil um Hilfe bitten müssen, oder den Mann mit dem roten Turban direkt ansprechen. Warum ich das nicht getan habe? Ich weiß es nicht. Scham, Schüchternheit? Ich wollte kein Aufsehen.

Rawalpindi und der große Mann

In Pakistan ist mir ein Mann auf mein Zimmer gefolgt. Was der von mir wollte, war ziemlich schnell ziemlich klar. In dieser Situation habe ich genau das Richtige getan: Ich habe mich aufgeplustert und sehr laut gerufen: „Get out!“ mit einer energischen Handbewegung zur Tür. So dass die Leute vor dem Zimmer das hören konnten. Der Mann verschwand ganz schnell. (Mehr zu der Begebenheit).

Der Einsatz von Pfefferspray wäre auch hier nicht günstig gewesen, da das Ganze in einem kleinen Zimmer ohne Fenster stattfand. Ich hätte mich wahrscheinlich gleich mit verletzt.

Und sonst?

Ich habe mal, als ich 19 Jahre alt war, eine Gaspistole von meinem Vater geschenkt bekommen. Der machte sich Sorgen, weil ich oft abends durch einen kleinen Wald gehen musste, um nach Hause zu kommen. Ich habe sie nie gebraucht und habe mich dort auch nie bedroht gefühlt. Auf Dauer wurde mir dies Ding unheimlich und es lag ja auch nur rum. Da habe ich es bei der Polizei abgegeben.

Ich bin auch schon spät abends in Hannover durch das „Rotlichtviertel“ am Steintor gegangen. Es gab nie Probleme. Männer, die mich anmachen, finde ich zwar nicht lustig, aber ein Fall für das Pfefferspray ist das noch nicht.

Was hilft?

Ich habe, wie gesagt, zu dem Thema „Ist Pefferspray sinnvoll?“ recherchiert. Zum Beispiel andere reisende Frauen auf Facebook nach ihren Erfahrungen gefragt. Es gab zwei Frauen, die erzählten, dass sie schon mal Pfefferspray benutzt hatten. Sie gaben auch zu, dass ihnen dabei das Spray selbst ins Gesicht spritze. Die Verletzungen waren glücklicherweise nicht schlimm.

Die meisten Leute plädieren zwar dafür, ein solches Spray oder etwas ähnliches dabei zu haben, aber keiner hat es ausprobiert und benutzen müssen. Manchen gibt das Mitführen von Pfefferspray ein sicheres Gefühl.

Ich frage mich aber, ob man dieses Sicherheitsgefühl nicht auch anders erreichen kann: Kampfsport oder ein Taschenalarm sind meiner Meinung nach die besseren Alternativen. Ich habe außerdem an meinem Schlüsselbund einen schweren uralten Flaschenöffner, den ich einem Angreifer entschlossen ins Gesicht schleudern würde. Auch eine schwere Handtasche kann da sehr nützlich sein.

Gegen Wilde Hunde

In vielen Ländern begegnet man streunenden Hunden, die sicherlich nicht ungefährlich sind. Da ist der Pfefferspray eine adäquate Waffe. Dafür ist er sogar gedacht.

Auf Wikipedia erfahrt Ihr mehr über Zusammensetzung, Anwendung und vor allem, wo er erlaubt und wo er verboten ist. mehr

Fazit

Auch nach längerem Überlegen halte ich den Einsatz von Pfefferspray in den meisten Fällen für sinnlos. Man sollte sich auf andere brauchbare Methoden der Selbstverteidigung konzentrieren. Das Sicherheitsgefühl, das durch den Spray vermittelt wird, ist ein trügerisches. Und der Schock ist groß, wenn es nicht immer und überall funktioniert.

Nachtrag: Silvester 2015 in Köln

Auch in der Menschenmenge wie Silvester in Köln oder Hamburg hätte Pfefferspray nicht geholfen. Zu viele Menschen, zu eng der Raum. Was hätte helfen können? Ein heftiger Tritt in die Eier? Schreien wohl kaum. Ich weiß es nicht. Ich hätte die Flucht ergriffen.

In der RP online habe ich einen sehr detaillierten Bericht über die Meinung der Polizei zum Pfefferspray gefunden: Pfefferspray bietet Frauen keine Sicherheit! Dort rät die Polizei dazu, wegzulaufen und laut zu schreien. Viele der „Waffen“, die angeblich mehr Sicherheit bringen, befänden sich außerdem meistens in der Handtasche oder im Rucksack und sind damit nicht besonders gut erreichbar im Falle eines Falles. Auch kann es sein, dass man weniger vorsichtig ist als ohne den Spray und damit leichter in brenzlige Situationen gerät.

Links

Wenn Ihr mir über einen erfolgreichen Einsatz von Pfefferspray aus eigener Erfahrung berichten könnt, dann immer her damit!  Schreibt einen Kommentar oder eine Email.

Ich wünsche allen fröhliche und spannende Reisen ohne Situationen wie oben geschildert!

Ulrike

15 Gedanken zu „Pfefferspray: Hätte es geholfen?“

  1. Zuerst war ich ein wenig skeptisch, aber nachdem ich deine Artikel gelesen habe, muss ich sagen, dass dein Blog wirklich ein Vergnügen ist! du hast definitiv einen anderen Leser!

  2. Finde Pfefferspray als Allround-Waffe auch nur bedingt einsetzbar. Es gibt wie Du beschrieben hast, viele Situationen wo es einfach keinen Sinn macht oder es auch nicht machbar ist. Einige Frauen fühlen sich allerdings mit dieser Waffe sicherer und haben dadurch ein sicheres Auftreten in solchen Situationen – kann auch manchmal schon helfen.
    Ich würde eher zum Taschenalarm raten. Damit mach man schnell auf sich aufmerksam und kann sich dabei nicht selbst verletzen.

  3. Hi Ulrike,
    ich kann deine Überlegungen verstehen.
    Hättest du Pfefferspray gegen den Mann eingesetzt, hätte das eventuell die Situation noch aufgeheizt. 🙂
    Ich denke du hast dich vollkommen korrekt verhalten!
    Liebe Grüße
    Nadine

  4. In Köln wurden die geschädigten Frauen umzingelt und umringt, damit sie eben nicht die Flucht ergreifen konnten, sondern das Gegrapsche erdulden mussten.
    Pfefferspray hätte nicht geholfen. In einer Dose sind nur wenige Sprühstöße enthalten. Ein paar Angreifer hätte man getroffen, der Rest hätte sich dann „bedankt“.
    In solchen Situationen muss man auf sein Bauchgefühl hören und sich nicht schämen, eine potentiell gefährliche Situation zu meiden oder zu umgehen. Eine aufgeheizte oder angespannte Stimmung kann man manchmal wahrnehmen. In dem Fall die Situation verlassen (Taxi nehmen etc), um Konflikten von vornherein aus dem Weg zu gehen.
    Ist zwar traurig, dass man dann oft zurückstecken muss, aber wesentlich klüger. Die eigene Unversehrtheit ist es wert. Der beste Kampf ist der, der gar nicht erst gekämpft werden muss.

  5. Danke für den Hinweis. Ist doch aber egal, was man einsetzt und ob legal oder nicht: Die Argumente gelten auch hier. Es handelt sich um Reizgas, das in der praktischen Anwendung einfach keinen Sinn macht.
    LG
    Ulrike

  6. ich kann dazu nur sagen; nicht Pfefferspray sondern Cs gas bzw. Tränengas zu benutzen, da dass Cs Gas als Abwehrspray gegen Menschen eingesetzt werden darf.

  7. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er in einer Notsituation helfen könnte. Ich denke man wird sehr geschockt sein und erstarren. Ich weiß nicht. Keiner, der nie so etwas erlebt hat, kann, denke ich, nicht einschätzen, wie ruhig er in solch einer Situation bleiben würde. Guter Beitrag. Ich hoffe, dass ich nie in so eine Lage komme. Der Almurlaub Südtirol ist immer sehr sicher und gibt mir auch so ein Gefühl.

  8. Eine Zigarette! Ja, das ist auch eine gute Idee!
    Ich glaube nicht, dass Du einfach „nur“ Glück gehabt hast. Selbstbewusste Frauen werden seltener Opfer…
    LG
    Ulrike

  9. Ich habe noch nie ein Pfefferspray besessen und habe auch nicht vor, mir eins zuzulegen. Eine Freundin hat mir einmal berichtet, dass ein herkömmliches Deo-Spray auch ausreichend wäre – zumindest um genügend Zeit zu haben, um wegzulaufen.
    Aber ich gebe zu, dass ich mir in mancher Situation schon einmal vorsorglich eine Zigarette angezündet habe und das ich sie bereits einmal als Waffe benutzt habe. (ich will jetzt keine Diskussion über die Gefährlichkeit des Rauchens anzetteln)
    Doch vielleicht hatte ich bislang auch nur Glück.
    LG
    Sabienes

  10. Pfefferspray zu haben und richtig einzusetzen sind zwei Paar Schuhe. Das ist wie in schlechten Filmen, wenn das Opfer zur Waffe greift und „Halt ich schieße!“, ruft und der Täter dabei immer näher kommt.
    Nie zögern. „Abdrücken.“ Egal, ob nun verbal, Spray, oder was auch immer.

  11. Ja, du hast recht! Ich finde es nur immer wieder, wie hartnäckig Frauen den Pfefferspray als die ultimative Waffe anpreisen. Dem will ich etwas entgegen setzen.
    Ich bin mir auch sicher, dass den Frauen in Köln so ein Spray auch nichts genutzt hätte. Selbstbewusstes Auftreten ist auf jeden Fall gut.

  12. Wie ich bereits unter deinem anderen Artikel schrieb, ist das normale Pfefferspray eher untauglich. 1. wird es viel zu abgemilderter Form verkauft und hat 2. nur eine begrenzte Haltbarkeit. Steht der Wind gegen dich, wirst du das Zeug ins Gesicht bekommen. Ein Taschenalarm (Heuler) am Schlüsselbund ist eine Alternative. Aber auch hier gilt regelmäßig überprüfen.
    Ich rate noch immer zu Selbstverteidigung. In Hamburg – und ganz Deutschland – sollte sich eine Wendo Gruppe finden lassen, die Frauen gezielt Maßnahmen lehrt. Selbstbewusstes Auftreten ist dabei oberstes Gebot. Wer sich als Opfer präsentiert, hat schon verloren. Und das machen leider viele Frauen, wenn sie unter sich schauen und in typisch, gebückter Haltung an Männergruppen vorbei gehen.

Ich freue mich auf Deinen Kommentar!