Chinesen wenden sich gegen Hundefleisch-Festival

Zuletzt aktualisiert vor 8 Monaten

Jedes Jahr zur Sommersonnenwende im Juni wird in Yulin in der Provinz Guangxi ein äußerst umstrittenes Fest gefeiert: Das Hundefleisch-Festival. Dabei sollen jedes Mal rund 10.000 Hunde geschlachtet werden, zum Teil unter grauenvollen Umständen.

Update 2020: Auch wenn mittlerweile einige Städte (u.a. Shenzhen) in China den Verzehr von Hundefleisch verboten haben, findet das Hundefleisch-Festival in Yulin trotz Corona in diesem Jahr wieder statt. Chinesische Tierschutzaktivisten hoffen, dass es das letzte Mal ist. NYTimes

Hundefleisch essen?

Hundefleisch

Schon seit Jahren wird genauso regelmäßig darüber berichtet, dass auch die Mehrheit der Chinesen dieses Festival verabscheut und die Abschaffung verlangt. 

Zahlen

Most people in China don’t eat dogs, in fact dog meat is only eaten infrequently by less than 20% of the Chinese population. A 2017 survey revealed that even in Yulin, home of the notorious dog meat festival, most people (72%) don’t regularly eat dog meat despite efforts by dog meat traders to promote it. Nationwide across China, a 2016 survey conducted by Chinese polling company Horizon, and commissioned by Chinese group China Animal Welfare Association in collaboration with Humane Society International and Avaaz, found that most Chinese citizens (64%) want to see an end to the Yulin festival, more than half (51.7%) think the dog meat trade should be completely banned, and the majority (69.5%) have never eaten dog meat. Quelle: hsi.org

Der Mensch sieht nur, was er sehen will

Nun zu meinem eigentlichen Anliegen: Der Mensch sieht nur das, was er sehen will, was seine Meinung, seine Vorurteile bestätigt. Als ich gestern (20.06.16) einige Fotos von China Radio International, die dies Hundefleisch-Festival mit schaurigen Bildern illustrieren, auf Facebook teilte, passierte folgendes:

China Radio International schrieb zu den Fotos:
Wann ist endlich Schluss? Das geplante Hundefleisch-Festival am Dienstag in Yulin in Guangxi stößt auf weltweite Kritik. Einer jüngsten Umfrage in China zufolge sprechen sich knapp zwei Drittel der 2000 Befragten für ein Verbot dieses Festivals aus.

Sofort fand sich jemand, der antwortete:
Ich kann mich als Fleischesser nicht freisprechen, aber was zur Hölle geht in diesem Volk vor, wenn sie nicht nur Hunde töten und essen, sondern sich in erster Linie daran ergötzen, wie diese armen Wesen auf offener Straße bei lebendigem Leib das Fell abgezogen bekommen und einen unvorstellbar qualvollen Tod sterben? Wenn dieses Volk jedes Jahr illegal zig-tausenden von Haien die Flossen abschneiden und die Tiere elendig sterben lässt? Wenn dieses Volk Millionen dafür ausgibt, die letzten Nashörner töten zu lassen, für ihr perfides, widerwärtiges Verlangen nach Horn? Und und und…..ich verachte dieses Volk zutiefst!

Ich gebe zu, ich ließ mich provozieren und fing an zu argumentieren. Völlig falscher Weg! Was natürlich zu weiteren wütenden Ausbrüchen der Kommentatorin führte.

Diskussion auf dem Bambooblog

Später wurde mir klar, was da passiert war: Da hatte die Kommentatorin eben nicht den Text gelesen, sondern nur die Fotos gesehen. Sie fühlte sich in ihren Vorurteilen bestätigt. Sie machte den großen Topf auf und kippte gleich alles rein, was ihr eben einfiel: Hundefleisch, Haifischflossen, Nashörner… Rührte um und bekam eine grausige Pauschalbrühe heraus. Ich könnte die Liste übrigens noch ergänzen: Bärengalle, Tigerknochen… Das meiste davon ist übrigens in China verboten und wird mit hohen Strafen belegt.

Als jemand anderes deutlich darauf hinwies, dass es gerade auch in China eine immer stärker werdende Tierschutzbewegung gibt, die sich unter anderem auch für die Abschaffung des Yulin-Festivals einsetzt, war Ruhe. Hab ich gedacht! (21.06.16). Der Kommenatorin geht es anscheinend nicht um Tierquälerei und Hundefleisch-Essen, sondern um Folgendes, wie ein neuer Kommentar von ihr besagt.

Es geht beim Hunde-Fest um die Masse an Menschen, die sich völlig extatisch daran ergötzen, wie die Tiere abartiges Leid ertragen. Das Essen ist nicht der Höhepunkt, es ist die Begeisterung für die Art des Tötens. Und das eine Leid rechtfertigt nicht das Andere.

Ich war sehr erschrocken, weil das, was ich als positive Entwicklung in China, nämlich den wachsenden Widerstand der Chinesen gegen das Hundefleisch-Essen, teilen wollte, so eine schreckliche Reaktion hervorrief. Ich bin heute (21.06.16) noch mehr erschrocken, weil ich diesen neuen Kommentar schon in Richtung Rassismus sehe. Denn hier wird ein ganzes Volk – die Chinesen – aufgrund einer pauschal angenommen Eigenheit einiger weniger verurteilt.

Einen ausführlichen Artikel zu der Abschaffung des Hundefleisch-Festivals in Yulin veröffentlichte German.china.org.cn:

Mehrzahl der Chinesen fordert Ende des Hundefleisch-Festivals von Yulin

Vielleicht hätte ich einen Artikel teilen sollen, dessen Überschrift wie diese ganz deutlich den Inhalt zusammenfasst. Denn Überschriften lesen die meisten Menschen eher als das Kleingedruckte darunter.

Hundefleisch essen als Zeichen der Not
Als Symbol für große Verzweiflung hat dieses Verhalten auch Eingang in die Literatur gefunden: In einer Szene in Hauptmanns Drama „Die Weber“ schlachtet ein alter Mann seinen Hund.

Allerdings gab es auch in Gebieten, in denen die Bevölkerungsmehrheit kein Hundefleisch aß, Regionen, in denen regelmäßig Hunde verspeist wurden. Beispiele dafür sind das Appenzeller- und das Bündnerland in der Schweiz oder einige sächsische Städte.

Offiziellen Angaben zufolge wurden in den Jahren um 1900 in Chemnitz durchschnittlich 226, in Dresden 136 und in Zwickau 58 Hunde jährlich geschlachtet Wikipedia

Noch einmal ganz deutlich:

1,4 Milliarden Chinesen, also 1.400.000.000 Menschen. In China werden jedes Jahr 10 Mio. Hunde geschlachtet und gegessen. Mit diesen Zahlen argumentieren Leute, die aus “ethischen” Gründen (weil „alle“ Chinesen Hunde essen) dagegen sind, nach China zu reisen. Zugegeben, wenn das in Deutschland so wäre (80 Mio Einwohner, 10 Mio geschlachtete Hunde), dann fände ich das megaschlimm. Das wäre echt viel.

Wenn jetzt jeder dieser 1,4 Milliarden von diesen 10 Mio. Hunden essen würde, kämen rund 0,0077 Hund auf jeden. Wenn es Menschen in China gäbe, die ungefähr einen halben Hund pro Kopf verspeisen, wären das 20 Millionen Chinesen, also 1,538 % der Bevölkerung.

Das als Begründung zu nehmen, dass “alle” Chinesen Hunde essen, ist, gerade heraus gesagt, purer Quatsch!

Und die Menschen, die sich das Hundefleischfestival angucken und sich möglicherweise daran „ergötzen“, sind einige Tausend. Darunter sind gerne auch sensationsgierige westliche Touristen. Das lässt sich in Prozenten schon gar nicht mehr ausdrücken.

Wie dumm sind also diese Leute, die damit gegen China hetzen? Und kann man den anderen Aussagen von denen trauen?

26.07.16 Es geht weiter!

Aus einem neuen Artikel der Dame:
„Die Mehrheit der Leser dürfte erkennen, dass die von mir beschriebenen Kriterien natürlich nicht von „allen Menschen“ verübt, geduldet, gut geheißen werden müssen, um auf der No-Go-Liste zu landen. Dafür genügt eine erhebliche kollektive Beteiligung und/oder staatliche Legitimation, auch wenn das so mancher „Bloggerin gegen Rassismus“ nicht einleuchten mag und sie mit der Feststellung aufwartet, 10 Millionen in China für den Verzehr totgequälte Hunde seien ja nun wirklich keine Aufregung wert, denn auf jeden Chinesen käme dabei gerade mal ein kleines Stück Hund. Soso. Womöglich kommen am Ende mit dem letzten Fünkchen Empathie auch ein paar Tassen im Oberstübchen abhanden…“

Aha: „Die Mehrheit der Leser dürfte erkennen…“ Das lese ich so, dass sie sich jetzt entschuldigt. Denn ihre Grundaussage war, dass „alle Chinesen“ Hundefleisch essen. Oder war es doch die „kollektive Beteiligung“? Die gibt es nicht in China, wenn es ums Hundefleisch geht. Siehe meine Zahlen von oben. „Staatliche Legimitation“? Sagen wir mal so, es ist (noch) nicht verboten, Hundefleisch zu essen. Allerdings gibt es durchaus ein Verbot, Tiere zu quälen. Daraus eine staatliche Legitimation zu machen, naja. Der letzte Satz steht dann für die „ruhige und sachliche“ Argumentation der Frau.

Ich weiß, was in den Artikeln auf ihrem Blog beschrieben wird, ist schlimmer. Es geht ja nicht nur ums Hundefleisch Essen. Dass ich mich darauf fokussiere, liegt eben daran, dass ich mich mit dem Thema auskenne.

Rassismus?

Für mich stellt sich aber auch die Frage: Wenn schon in diesem kleinen Bereich Logik und Vernunft außer Acht gelassen werden, kann man dann ihren anderen Zahlen Glauben schenken?

Für mich sind auch die Äußerungen zum Hundefleisch-Konsum in China rassistisch, denn es handelt sich um die Verurteilung eines ganzes Volkes wegen der kulturellen Eigenheit einer Minderheit:

„Beim Rassismus wird ein Mensch danach beurteilt, ob er eine schwarze oder helle Hautfarbe hat, einer bestimmten Religion angehört oder einen bestimmten kulturellen Hintergrund hat.“

Quelle: http://www.menschenrechte.jugendnetz.de/menschenrechte/glossar/rassismus/

Ich will nicht mehr still sein. Ihr dürft Euch gerne selbst ein Bild machen: „Blogger und der Rassismus-Stempel“. Übrigens war das anscheinend der letzte Artikel auf diesem Blog. Was mag da nur passiert sein?

Nun habe ich mir meine Wut von der Seele geschrieben, die Facebook-Freundschaft mit der Kommentatorin gelöscht und bin gespannt auf Eure Kommentare.

Links

Hund in Peking
So sehr lieben Manche Chinesen ihre Hunde, dass sogar so ein Riesenvieh über die vereiste Straße geschleppt wird.

Nachsatz: Ich möchte hier noch mal in aller Deutlichkeit betonen, dass ich gegen Tierquälerei in jeder Form und egal wo auf dieser Welt bin.

Corona und das Hundefleisch Essen

Mai 2020: In China hat man die Gesetze zum Verzehr von Wildtieren überarbeitet, nachdem der Verdacht aufkam, dass das Corona-Virus seinen Ursprung auf einem Wirdtiermarkt in Wuhan hatte.

Schon im April 2020 haben die südchinesischen Städte Shenzhen und Zhuhai das Essen von Hundefleisch verboten.

Im Rahmen der Neuregelungen ist nun eine Liste der chinesischen Regierung mit Tierarten entstanden, die gezüchtet und gegessen werden dürfen. Eine Diskussion entstand darüber, dass Hunde nicht auf der Liste stehen.

Die China Daily schreibt dazu am 29.05.2020:

As for the widely-watched issue of whether dogs should be on the list-which many people believe is related to whether China would ban the consumption of dogs-the ministry said much public opinion supports not putting dogs on such a white list.

It said dogs have closer relationships with humans and are used for various purposes such as pets and working dogs, and they are not considered as livestock internationally.

However, although dogs are not on the list, they are not considered wild animals, so they could be raised.

Danke, dass Du bis hierher gelesen hast!

Ulrike

13 Gedanken zu „Chinesen wenden sich gegen Hundefleisch-Festival“

  1. Die Tierhaltung ist in China ein grosses Problem. Da fehlt es oft an einer grundlegenden Sensibilisierung auf das Thema. Das will ich überhaupt nicht bestreiten. Als ich in Peking lebte, waren zum Beispiel Fische in einem kleinen Plastiksack als Schlüsselanhänger „in“. Die Tiere erstickten nach wenigen Tagen. Derartige unnötige Quälereien finde ich schlimm.

    Aber: Wer Fleisch isst, der muss Tiere töten. Das geht ganz einfach nicht anders. Deswegen habe ich nie verstanden, wieso es so viel schlimmer sein soll, wenn Hunde gegessen werden als wenn zum Beispiel Schweine geschlachtet werden. Schweine sind auch intelligente Wesen. Hut ab vor Vegetariern, das ist konsequent. Aber für mich ist die Forderung ausschliesslich keine Hunde mehr zu essen, in erster Linie rassistisch.

  2. Das ist ein guter Vorsatz! Ja, meistens lese ich Artikel, deren Inhalt ich kritisiere, auch 2 oder 3 Male, bevor ich was dazu schreibe. Jedenfalls bemühe ich mich darum. 🙂
    LG
    Ulrike

  3. Es ist immer schwieriger, Menschen zum Lesen zu bringen, oder besser gesagt, zum differenzierten Lesen und Begreifen. In deinem Artikel kommt es klar zutage. Leider. Ich versuche mir immer ein negatives Beispiel daran zu nehmen und kritische Artikel immer komplett zu lesen, bevor ich mir eine Meinung bilde…
    Liebe Grüße
    Maria

  4. Ja, Thomas, da hast du recht! Mir geht das auch schlimm auf die Nerven. Und da hab ich mal meine Wut abgelassen. Ich hab eigentlich alles irgendwie abgemeldet, was mich auf FB oder sonstwo in den Social Media nerven könnte. Umso schlimmer find eich es, wenn ich dann solche Sachen auch von Bekannten, die ich gar nicht eingeschätzt hatte, lese.
    Traurig
    LG
    Ulrike

  5. Das Phänomen von nur Bilder gucken, vielleicht noch die Überschrift lesen und dann los poltern greift immer mehr um sich. Du hast hier ein Paradebeispiel geliefert. Auf diese Weise funktioniert auch der Hass, der teilweise in den Social Medias oder in den Kommentarspalten einiger Zeitungen zu lesen ist. Es wird nur gelesen, was man lesen will (Überschriften) und wenn das dort geschriebene in das eigene (oft kaputte) Weltbild passt, dann wird die verbale Keule angesetzt. Auf diese Weise verteilen sich dann selbst Beiträge von Satiremagazinen in einschlägigen Gruppen und werden da ernst genommen.

    Das ist eine Entwicklung, welche mir seit etwa einen Jahr extrem auffällt und die ich sehr beängstigend finde. Niemals war es so leicht, sich in vielen Medien zu informieren, wie heute. Ich komme aber immer mehr zu der Erkenntnis, das leider auch viele Leute damit überfordert sind.

    LG Thomas

  6. Liebe Catrin!
    Hach, das ist eine tolle Frage! Gibt es Tiere erster und zweiter Klasse? Darüber hab ich mir noch nie Gedanken gemacht. Aber es trifft den Nagel auf den Kopf!
    Ich esse Fleisch, und letztlich ist kein Unterschied, ob ich Hundefleisch oder Rindfleisch esse. Nur: Rindfleisch schmeckt mir besser.
    Ja, und die Tiere dürfen nicht gequält werden!
    Liebe Grüße
    Ulrike

  7. Liebe Ulrike,

    wenn man jemanden argumentativ nicht erreichen kann, derjenige nur seine Klischees bedienen will, dann wird es in der Tat haarig. Wütend wird man, verzweifelt sogar?

    Ich frage mich ohnehin, ob jemand, der ein Rinderfilet verputzt, das Recht hat, jemanden, der Hundefleisch verspeist, moralisch anzugehen? Gibt es Tiere erster und zweiter Klasse? Es sind Lebewesen. Und weder das eine noch das andere darf gequält werden.

    Allerherzlichste Grüße aus Berlin
    Catrin

  8. Nicht nur in China und Asien werden Tiere geschlachtet und gegessen. Hunde auch.
    Wenn es in Europa nicht das Zeitalter der Aufklärung im 18./19. Jahrhundert gegeben hätte, wären wir mit unserer Einstellung zu Tieren auch nicht viel weiter als die Menschen in Asien…

  9. Liebe Christiane, danke für Deinen ausführlichen Kommentar! Ich liebe Statistiken! Ja, es gibt noch viel zu tun!
    Liebe Grüße
    Ulrike

  10. Um zu verstehen warum in China und eigentlich ganz Asien Tiere geschlachtet und gegessen werden muss man vermutlich selbst Asiatin sein. Unsere Mentalität war und ist anders. Nüchtern betrachtet waren Tiere in Asien immer nur Mittel zum Zweck. Meine japanische Seite kann das völlig emotionslos sehen. Ich bin keine Vegetarierin und esse gern Fleisch. Aber ich bin auch klar gegen Massentierhaltung und Tierquälerei. Kein Widerspruch für mich. Und den Widerstand in China gegen das Hundeschlachten finde ich gut.

  11. Guten Tag Ulrike und alle Mitlesenden,

    dieser Artikel ist wieder einmal einBeispiel, wie vor- und umsichtig man gerade im Netz sein muss, wenn man verständlich machen will, was man meint. Die Vielfalt der Darstellungsmöglichkeiten gehört dabei bedauerlicherweise oft zu den Tücken des Objekts. Und jetzt möchte ich noch etwas zur Statistik sagen, die die meisten Leute verschmähen, außer bei den Daten, die sie selbst gebrauchen. Im Statistikunterricht ist die erste Regel, die man lernt: „Die aussagen einer Statistik gelten als verifiziert, wenn es eine Zweidrittelmehrheit gibt!“ Das bedeutet, dass die Chinesen gegen das Hundefleischfestival sind, da Zweidrittel der Befragten sich gegen diese Unsitte und Barbarei ausgesprochen haben. Überall auf der Welt gibt es noch sehr viel zu tun gegen die Tierquälerei!

    Liebe Grüße

    Christiane

Ich freue mich auf Deinen Kommentar!