Buchrezension: Beijing Baby

Beijing Baby von Volker Häring

Da liegt er also, der Krimi, der in Peking spielt, den ich in den letzten zwei Wochen Abend für Abend seitenweise gelesen habe. Kostenlos ins Haus geflattert, damit ich eine Rezension dazu schreibe.

Beijing Baby

Ich lese eigentlich keine Krimis, die in China spielen, weder von chinesischen noch von nicht-chinesischen Autoren. Meine Lieblingskrimis sind die skandinavischen oder von deutschen Autorinnen. Tja, aber diesen Krimi mit Schauplatz Peking muss ich lesen. Aus mehreren Gründen: Ich kenne den Autoren Volker Häring aus der gemeinsamen Studentenzeit am Beijing Language Institute, damals 1993/94. Da war ich natürlich neugierig, was er, der wirklich ein „Old China Hand“ ist, so schreiben würde.

Ja, und genau das ist es auch, was mich daran hindert, den Krimi wirklich gut zu finden. Ich weiß zu viel über Peking, um nicht bei jedem der angerissenen Klischees in dem Buch innerlich aufzustöhnen: Die ewige Klage der Westler über den Abriss und/oder die Gentrifizierung der Hutongs, der alten Gassen und Häuser Pekings, die Geschichten von den korrupten Kadern, den ewigen Staus in Peking…

Zur Handlung sagt der Klappentext:
„Die junge Kommissarin Xiang Xia wurde gerade erst nach Peking versetzt, als sie schon mitten in einem Fall mit höchster politischer Brisanz steckt. Eine bildhübsche Schauspielstudentin liegt tot im Innenhof des Pekinger Theaterinstituts – und sie scheint Beziehungen zu hochrangigen Politikern gehabt zu haben.
Xiang Xia nimmt die Ermittlungen auf und schnell wird klar, dass die Spur ins Rotlichtmilieu führt. Doch die Kommissarin scheint gegen Windmühlen zu kämpfen. Und auch ihr altgedienter Kollege Inspektor Wang, dem das tradionelle Leben in den Pekinger Hutongs über alles geht, ist zunächst keine große Unterstützung.
Mithilfe des deutschen Austauschstudenten Philip und ihrer gnadenlos modernen Schwester Xiang Mei gelingt es ihr schließlich, tief in das Pekinger Nachtleben einzutauchen.
Doch niemand hätte ahnen können, welche dunklen Geheimnisse im Schatten dieser schillernden Halbwelt zwischen Karaokebars und Massagesalons lauert…“

Wahrscheinlich wäre es besser, wenn jemand das Buch rezensiert, der sich nicht ganz so gut auskennt. Aber nun sitze ich hier und überlege, wie ich es am nettesten ausdrücke, dass mir der Krimi nicht gefallen hat. Nein, ich fand ihn nicht langweilig, aber trotzdem habe ich ihn nicht mit Begeisterung gelesen.

Ich habe vor allem am Anfang freudig das Wiedererkennen von halbvergessenen chinesischen Schimpfworten und Flüchen gefeiert. Doch: Muss die hohe Dichte an Schimpfworten sein?

Das andere ist das Vokabular, das mit Sex zusammenhängt. Da erfahre ich zum Beispiel, dass „Xiao Jie“ (Fräulein!), was ich zum Herbeirufen einer Kellnerin kenne, heute anscheinend mehr ein Wort für ein „leichtes Mädchen“ ist. Überhaupt wird viel über Sex, Bordelle und leicht anrüchige Gegenden geschrieben. Mir fehlt dabei eine richtig schöne erotische Szene, eine gefühlvolle Beschreibung, wie sich die erotische Spannung zwischen den Protagonisten aufbaut. Doch da steht dann lapidar „sie haben miteinander geschlafen“. Naja, das ist wohl mein anderes Manko beim Lesen dieses Buches: Ich bin eine Frau.

Neben den lebhaften Schilderungen von Garküchen und alten Wohnhöfen bleiben die Charaktere des Buches insgesamt farblos. Auch die Handlung lässt wenig Spannung aufkommen. Eine junge Chinesin ist von einer Dachterrasse gefallen oder gar gestoßen worden. Das ist der Fall, der in dem Krimi Beijing Baby untersucht wird.

Dass die Frage, warum die Frau sich überhaupt auf dem Dach aufgehalten hatte, erst ziemlich zum Schluss gestellt wird, ist mir ein Rätsel. Willkürlich scheinen Inspektor Wang und die Polizistin Xiang Xia im Nebel zu stochern, immer auf der Hut, niemanden aus der Politik auf die Füße zu treten. Es wird gesoffen und man besucht Bordelle, seltsam emotionslos.

Interessant ist die Schilderung Pekings. Für jeden, der dorthin reist, sicherlich ein Einstieg. Doch dass es in Peking an jeder Ecke ein Bordell oder sonst einen Sex-Schuppen mit leichten Mädchen gibt, kann ich so nicht bestätigen. Aber das mag daran liegen, dass mich sowas als Frau nicht interessiert und ich es auch nicht so erlebt habe in Peking.

Völlig überrascht hat mich dann ein Satz im Nachwort von Volker Häring: „Ein China-Krimi ohne die gängigen Klischees, eine Momentaufnahme des kontemporären Chinas in all seiner Widersprüchlichkeit und Faszination, das schien mir eine reizvolle Aufgabe.“ Auch der Text auf der Rückseite des Buches endet mit „Ein China jenseits aller Klischees“. Das just kurz nachdem ich festgestellt hatte, dass das Buch nur so von Klischees wimmelt!

Ich will Beijing Baby nicht völlig zerreissen. Es ist zu empfehlen, wenn man als Mann auf lockere Art und Weise ein wenig mehr über Peking und China erfahren möchte. Man sollte nur nicht glauben, dass das die ganze Wahrheit ist. China hat viele Facetten, das Buch zeigt nur einen kleinen Ausschnitt. Für Frauen finde ich Beijing Baby einfach zu seicht, zu respektlos. Interessant auch das Glossar, das am Ende die Begriffe erklärt, die dem Nicht-China-Kenner unbekannt sind.

Fazit: Beijing Baby – eine interessante Lektüre für eine Reise nach Peking. Aber als selbstbewusste Frau sollte man sich das überlegen, bevor man in die Macho-Welt des Autors eintaucht.

Beijing Baby
Volker Häring

320 Seiten

Verlag: Conbook Medien (1. Juni 2016)

ISBN-10: 3958891004

ISBN-13: 978-3958891005

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7 Gedanken zu „Buchrezension: Beijing Baby“

  1. Gut geschrieben! Ich finde es einerseits enttäuschend, dass ein Autor, der sich mit einem Land so gut auskennt, soviele KLischees reinbringt. Andererseits stelle ich es mir schwierig für die Handlung vor: Wenn der Leser mit den fremden Eindrücken Chinas beschäftigt ist, kann der der Krimi-Handlung nicht folgen. Es braucht etwas Vertrautes. Außerdem muss man die Erwartungen des Lesers befriedigen. Und dass Klappentexte überttreiben, ist nix Neues 🙂

  2. Oh, Volker ist sicherlich ein Kenner des Landes, und er schreibt letztlich von einem Millieu, in dem er Jahre verbracht hat. Warum sein Buch trotzdem so Klischeebehaftet ist, weiß ich nicht.

  3. Das Problem gibt es aber oft mit Büchern über ein Land, dass nicht von einem geschrieben wurde, der dort tatsächlich aufgewachsen ist. Mich gruselt es nämlich auch vor der Klischeefülle von Büchern über Japan, wo in jedem Nebensatz reingeklopft werden muss, dass wir uns wirklich in Japan befinden. Das beiläufige Japan in Büchern von Japanern gefällt mir da viel besser. Aber vielleicht ist das auch eine Anforderung, die an Autoren solcher Bücher gestellt wird?

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