Billstedt – Hinterhof Hamburgs

Billstedt ist schöner als sein Ruf. Aber wer keinen Bezug zu diesem Stadtteil hat, wird sich nur selten hierhin verirren. Ich selbst wohne in Hamburg Horn, nur zwei U-Bahn-Stationen (U2 +U4) von Billstedt entfernt. Und kenne von Billstedt trotzdem nicht viel.

Billstedt – schöner als man denkt

Am Schleemer Bach

Es gibt wirklich schöne Ausflugsziele und Parks in und um Billstedt. Ich liebe es, unter den alten Bäumen des Öjendorfer Friedhofs spazieren zu gehen. Gleich daneben liegt der Öjendorfer See, Erholungsgebiet mit großen Liegeflächen und Bademöglichkeiten. Überhaupt gibt es überall kleine oder größere Teiche und von alten Bäumen gesäumte Spazierwege.

Auf einem Stadtteilfest in Horn entdeckte ich die „Rad- und Wanderkarte Billstedt-Horn“. Wandern in Billstedt? Nicht gerade eine Aktivität, die ich mit dem Stadtteil in Verbindung brachte! Doch ein kleiner Ausschnitt wies den Billstedter Geschichtspfad aus. Für Geschichte bin ich ja immer zu haben. Also machte ich mich an einem sonnigen Samstag im Juli auf, einen Teil des Pfades zu erkunden.

Billstedt – Geschichte

Billstedt ist aus der Zusammenlegung der Dörfer Schiffbek, Öjendorf und Kirchsteinbek 1928 entstanden. 10 Jahre später 1938 erfolgte die Eingemeindung nach Hamburg. Aber bereits im 8. Jahrhundert soll es hier eine Burg gegeben haben. Die Spökelburg. Also zeitgleich mit der Hammaburg. Die Burg war auch als Sicherung der Hammaburg gedacht. Das sind westlich rund 15 Kilometer entlang der Bille.

Im 17. Jahrhundert hatten die genannten Dörfer insgesamt nur 368 Einwohner. Es gab die Kirche von Kirchsteinbek, eine Mühle und schon erste Sommerhäuser der Hamburger. Die Spökelburg war bereits im 13. Jahrhundert zerstört worden.

Die Industrialisierung am Ende des 19. Jahrhunderts brachte auch dem Land vor den Toren Hamburgs einen Aufschwung.  Es siedelten sich einige Fabriken an und es entstanden Wohnungen für die Arbeiter. Damit kam auch das Ende für die beliebte Sommerfrische.

Billstedter Geschichtspfad
Fabrikantenvilla

Der verstärkte soziale Wohnungsbau mit den in den 1970ern so beliebten Beton-Hochhäusern (Stichwort Mümmelmannsberg) trägt auch heute noch zu dem schlechten Ruf des Stadtteils bei. Dabei soll es in Billstedt mehr Einfamilienhäuser geben als in Blankenese!

Die Legende vom Spökelberg

Die Goldene Wiege vom Spökelberg
Im Spökelberg liegt eine goldene Wiege verborgen, ein Schatz aus 1.500 Silbermünzen, Die hatte die Stadt Hamburg dem Grafen Albert von Orlamünde im Jahr 1225 für die Auslösung ihrer Geiseln gezahlt.

Immer wieder ist aufgrund dieser Erzählung auf dem Spökelberg gegraben worden. Befeuert wurde diese Schatzsuche dadurch, dass 1688 ein Fuhrmann ganz in der Nähe der alten Burg einen Beutel mit Dukaten fand. Nicht auszuschließen ist, dass die Schatzsucher selbst das Gerücht in die Welt gesetzt haben, auf dem Spökelberg gehe die Weiße Frau um, damit sie dort ungestört nach der goldenen Wiege graben konnten, oder aber sie sind anderen Menschen dort eher zufällig als Weiße Frau erschienen.

Im 19. Jahrhundert soll schließlich ein Bauer aus Schiffbek, von dem man sich erzählt, er habe kohlrabenschwarzes Haar mit drei weißen Strähnen gehabt, beim dritten Versuch tatsächlich den Schatz aus dem Spökelberg gehoben haben. Er brachte ihn in sein Haus, und als er ihn auf der Diele abstellte, entrutschte ihm ein Seufzer der Erleichterung. Damit aber hatte er gegen den Zauber verstoßen, der auf dem Schatz liegt, nämlich, dass man bei seiner Hebung kein Wort sprechen darf. So entschwand der Schatz unter seinen Augen und wartet vermutlich auf den nächsten Glücklichen, der ihn findet.

Der Billstedter Geschichtspfad

Im Fokus des Geschichtspfades stehen die Ereignisse und Bauten der letzten Hundert Jahre: Arbeiterquartiere, Orte des Aufstandes der Kommunisten 1923 und Begegnung mit den 1930er Jahre. Auch der 2. Weltkrieg hat seine Spuren hinterlassen.

Doch ich hatte mir den Geschichtspfad nur mal so als Idee vorgenommen und mich dann, ehrlich gesagt, kaum noch um die Geschichte selbst gekümmert. Ich bin einfach los und habe mich treiben lassen.

Mit der U-Bahn fuhr ich bis Merkenstraße. Von dort wollte ich zuerst zum Schleemer Park, einem schmalen grünen Band entlang des Schleemer Bachs.

Billstedt
Billstedt Fassade mit Kunst

Am Schleemer Bach

Meine erste Entdeckung war diese hübsche und eigenwillige Fassade. Dann erreichte ich den Schleemer Bach: Spazierweg und kleines Gewässer, alte Bäume, die Stadt immer ganz nahe. Fröhliches Lärmen drang vom Freibad zu mir. Also wirklich kein Ort, um sich der Stille und Ruhe der Natur zu erfreuen.

Trotzdem spazierte ich gerne hier lang, setzte mich mal auf eine der zahlreichen Bänke und schaute auf das Grün der Eichen und Buchen. Der Bach plätscherte lustig vor sich hin. Weiter oberhalb gibt es das E-Werk.

Billstedt Wiese am Schleemer Bach.

Leider hinterlässt der Mensch auch hier seine Spuren. Da helfen die vielen Abfalleimer nichts. Rund um die Bänke sind die Zigarettenkippen gestreut, die man nicht mal eben in den einen Meter entfernten Korb schnippen kann. Im Bach lag ein kaputter Kinderwagen. Und mancher Wegweiser war bis zur Unkenntlichkeit verschmiert. Manchmal deprimiert mich das alles sehr.

Übrigens: Der Schleemer Bach fließt auch durch den Öjendorfer Friedhof. Auf der Wiese am Ufer dort ist ein kleines Vogelparadies entstanden, auf dem sich im Sommer viele Gänse tummeln.

Schleemer Bach kaputter Kinderwagen
Wandalen machen Wegweise unkenntlich
Wandalen auch hier

Bald hatte ich die Billstedter Hauptstraße erreicht. Richtig viel Verkehr gab es nicht. Ich bewunderte die alten Häuser und die netten Vorgärten.

Billstedt Sommerflieder
Billstedt
Billstedter Geschichtspfad
Billstedter Geschichtspfad

An einer Bushaltestelle sprach mich eine ältere Dame an: „Warum fotografieren Sie hier alles?“ Ich erzählte ihr von meinem Blog und dass ich auch mal die unbekannteren Seiten Hamburgs zeigen möchte. Sie war begeistert. Sie liebe Billstedt und fände auch, dass der Stadtteil gar nicht genug Aufmerksamkeit bekommt. Er sei doch viel schöner als man meint. Damit hat sie auf jeden Fall recht!

Zum Schluss machte ich noch einen Gang über den Markt in Billstedt, kaufte ein paar Eier von glücklichen Hühnern und stieg in Billstedt wieder in die U-Bahn.

Fazit

Billstedt Center

Muss man den Geschichtspfad in Billstedt gesehen haben? Nicht unbedingt. Aber wenn man es liebt, sich durch ruhige Seitenstraßen treiben zu lassen und Unbekanntes zu entdecken, ist Billstedt auf jeden Fall einen Besuch wert!

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Ulrike

5 Gedanken zu „Billstedt – Hinterhof Hamburgs“

  1. Achja, die Wandse bin ich vor ein paar Jahren auch mal lang geradelt. Muss ich wiederholen! Schade, dass ich jetzt dein VT-Tipps nicht nachlesen kann!
    LG
    Ulrike

  2. Die Geschichte von der goldenen Wiege gefällt mir sehr! 🙂
    Angesichts der Bilder von Umweltverschmutzung und Vandalismus kam mir grade in den Sinn, dass am 3. August jener Stichtag war, an dem wir Menschlein bereits sämtliche natürliche Ressourcen für das gesamte Jahr 2017 verbraucht hatten – und dieser Stichtag rutscht beständig weiter Richtung Jahresanfang…
    Herzliche Grüße!

  3. Ich war noch nie in Billstedt, bin aber einmal mit dem Fahrrad nach Rahlstedt über St. Georg, Eilbek, Marienthal und Jenfeld gefahren. Das alles ist auch im Osten von Hamburg, liegt aber wohl etwas nördlich von Billstedt. Für den Rückweg hat meine Bekannte in Rahlstedt einen anderen Weg vorgeschlagen, entlang der Wandse bis zum Außenalster. Dabei habe ich gelernt, dass ab dem 14. Jahrhundert bis zu acht Mühlen an der Wandse durch Wasserkraft betrieben wurden.
    Von diesem Ausflug hatte ich drei Tipps mit zehn Fotos auf VirtualTourist hochgeladen.

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