Schmatzen, Schlürfen, Spucken in China

Spucken in China? Schlürfen und schmatzen?

Ja, China kann manchmal ziemlich anstrengend sein. Vor allem dann, wenn sich die Chinesen nicht unseren mitteleuropäischen Vorstellungen entsprechend verhalten. Warum sollten sie auch? Dazu gehören vor allem das Schmatzen und Schlürfen beim Essen sowie das lautstarke Reinigen der Bronchien und das anschließende Ausspucken. Warum ist das so?

Schild in Lijiang. Do not make noice in the civilized ancient town. Also auch nicht spucken!

Spucken in China als Reinigungsritual

Traditionell wird das geräuschvolle Hochziehen des Schleims aus den Tiefen der Lunge von vielen Chinesen als eine Art Reinigung angesehen. Dazu gehört, dass der produzierte Schleim aus dem Körper entfernt wird. Bloß nicht runterschlucken! Bäh! Mit weiteren Geräuschen wird also das Produkt ausgespuckt.

Dieser Vorgang ist etwas, an das sich die zarten mitteleuropäischen Gemüter kaum gewöhnen können. Mir fällt es gar nicht mehr so auf. Aber ich kann auch einige Geschichten dazu erzählen.

Morgens im Hotel

1991 Frühmorgens in einem chinesischen Hotel

Das Hotel, in dem ich in Hangzhou gelandet war, sah von außen recht hübsch aus mit Holzbalkonen und Fensterläden. Ein wenig russisch… Ich wollte ja auch nur eine Nacht bleiben. Dafür war die Lage des Hotels zwischen Westsee und Bahnhof ganz gut und der Preis war sehr günstig. Nachteile? Es gab nur Gemeinschaftstoiletten und Duschen. Und es wohnten überwiegend chinesische Männer in den Mehrbett-Zimmern. Ich bekam ein sehr schlichtes Einbett-Zimmer, in dem ich eine unruhige Nacht verbrachte.

Hab ich schon erzählt, dass Chinesen Frühaufsteher sind? Naja, jedenfalls wachte ich kurz nach 5 Uhr auf, weil nun die Männer aus den umliegenden Zimmern sich auf den Weg zu den Waschräumen machten. Entsprechendes Schlurfen und Türenschlagen begleiteten den Morgengang. Doch über allem schwebte die Geräuschkulisse unzähliger schleimiger Bronchien. Die mussten unisono befreit werden. Manch einer hielt durch bis zum Waschraum. Doch es gab auch Spucknäpfe auf dem Gang…

Ich hatte keine Chance, mich noch einmal umzudrehen und weiter zu schlafen. Also stand ich auf und schlurfte nun meinerseits zum Waschraum. Bei den Geräuschen und auch dem Erlebnis, mit den Männern den Waschraum zu teilen, verging mir ganz schnell das Bedürfnis nach einer umfangreichen Wäsche. Fluchtartig verließ ich das Hotel so schnell es ging.

So schlimm habe ich es nie wieder erlebt. Doch überall da, wo man mit den Chinesen früh aufstehen muss, sollte man sich auf eine entsprechende Geräuschkulisse gefasst machen: Im Nachtzug oder im Studentenwohnheim. Danach macht einem das gelegentliche Rotzen und Spucken auf der Straße kaum noch etwas aus.

Sauberes Peking

Für die Olympischen Spiele 2008 hatte sich die Pekinger Regierung ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Man wollte den zahlreichen Besuchern eine Stadt ähnlich wie Singapur bieten: sauber, grün, ordentlich. Das Spucken wurde mit harten Strafen belegt. Das hat ein wenig gewirkt. Doch auch heute noch klagen Touristen über die Spuckerei der Chinesen.

Nicht Spucken in China

Wie gesagt, ich merke das kaum noch. Außerdem habe ich die Erfahrung gemacht, dass man nach einiger Zeit, die man in den großen Städten wie Peking verbracht hat, selbst auch als Europäer dazu neigt, diese Sitte des Spuckens anzunehmen. Der Feinstaub muss eben raus! Da alle Geräusche dabei machen, braucht man sich selbst da nicht zu beschränken. Denkt man…

Man gewöhnt sich

Dann passierte noch etwas: Offenbar sensibilisiert für das Thema stellte ich fest, dass auch in Deutschland gerne und viel gespuckt wird. Allerdings nicht so geräuschvoll.

Wie gesagt, ich habe mich anscheinend so gewöhnt, dass ich es in China kaum noch merke. Auch muss ich mal wieder sagen: Ich habe das Glück, China schon seit mehr als 30 Jahren zu bereisen. Damals Ende der 1980er Jahre war das mit dem Rotzen und Spucken in China sehr viel schlimmer. Das hat tatsächlich nachgelassen und deshalb reg ich mich da nicht mehr auf. Vielleicht sollte ich hinzufügen, dass Chinesen  Frühaufsteher sind. Wenn man lieber ausschläft, bekommt man möglicherweise nicht so viele Geräusche mit.

Nur als ich vor ein paar Jahren mit einer Gruppe deutscher Reisender als Reiseleiterin in Xinjiang unterwegs war, fielen mir in einem einheimischen Restaurant gleich die ziemlich versifften Spucknäpfe unter den Tischen auf. Damit meinen Teilnehmern nicht schlecht wurde, ließ ich still und schnell die Näpfe außer Sichtweite schaffen. Alles gut!

Ja, das Essen! Da gibt es noch etwas, an dem mitteleuropäische Reisende in China öfters Anstoß nehmen: Das Schlürfen und Schmatzen!

Schlürfen und Schmatzen in China

Eigentlich sollte das ja gar nicht so schlimm sein. Denn auch in Europa war es bis vor nicht langer Zeit üblich, ein gutes Mahl mit entsprechenden Geräuschen zu sich zu nehmen. Folgendes Zitat soll angeblich von Martin Luther stammen: „Warum schlürfet und schmatzet Ihr nicht? Hat es Euch nicht geschmecket?“

Denkmal für die langen Nudeln in Xi'an
Denkmal für die langen Nudeln in Xi’an

Die langen Nudeln

Seid doch mal ehrlich! So eine leckere Nudelsuppe mit langen Nudeln kann man doch gar nicht ohne genüsslich zu schlürfen zu sich nehmen! Vor allem die langen Nudeln dürfen auch nicht zerschnitten oder abgebissen werden! Denn lange Nudeln stehen für langes Leben. Abbeißen würde einem das Leben verkürzen!

Die chinesischen Speisen sind oft mit Knochen versetzt, die intensiv und voller Genuss abgekaut werden müssen. Die Knochen selbst landen dann gerne auf dem Tisch oder gleich auf dem Boden. Dafür liegen häufig Plastik- oder Papiertischdecken auf den Tischen.

Rauchen beim Essen

Manchen Touristen stößt es außerdem unangenehm auf, dass viele Chinesen (noch) beim Essen rauchen.

Höhepunkt meines persönlichen Erlebens war die Situation, als ich in einem Restaurant am Nachbartisch einen Mann entdeckte, der gleichzeitig (!) rauchte und aß. Also: der hatte im linken Mundwinkel die rauchende Kippe hängen und schob sich auf der anderen Seite das Essen rein. Statt angewidert zu stöhnen und mein Essen von mir zu schieben, schaute ich dem Mann bei seinem Kunststück fasziniert zu.

Ich hab mich dran gewöhnt

An das Schlürfen, Schmatzen und Spucken in China. Mittlerweile bin ich wieder gut an die deutschen Sitten und Gebräuche angepasst und schlürfe nicht mehr mit. Außer wenn ich in Shanghai lange Nudeln esse…

Ich finde, man sollte sowieso nicht zu empfindlich sein, wenn man in China (und anderswo) reist. Vieles kann an den Nerven zerren. Wenn man sich richtig reinsteigert, kann man sich den ganzen Tag aufregen und ekeln.

In letzter Zeit lese ich vermehrt Reiseberichte über China, wo junge Mitteleuropäer den Zeigefinger mahnend erheben und von den Manieren der Chinesen reden. Dabei meinen sie natürlich, dass die Chinesen schlechte Manieren hätten. Das geht mir auf die Nerven. Immer und überall wird gewertet. Man suhlt sich wohlig in der Meinung, dass man als Mitteleuropäer die „besseren“ Manieren hätte.

Ich rege mich nicht mehr auf über das Schlürfen, Schmatzen und Spucken in China. Ich beobachte und ich mache nicht mit. Doch auch auf diesem Gebiet macht sich die Globalisierung breit und die meisten jungen Chinesen empfinden vor allem das Spucken als peinlich. Warten wir es ab!

Wie ist Euch unterwegs gegangen? Habt Ihr Euch gewöhnt? Oder denkt Ihr, dass es gar nicht so schlimm ist? Ich freue mich über Eure Kommentare!

Ein aktueller Kommentar (29.01.2022) von Linni, die in Peking lebt:

Nicht nur, aber vor allem auch pandemie-bedingt ist das öffentliche Spucken drastisch weniger geworden. – Dran gewöhnt hatte ich mich schon lange und es auch nicht mehr wirklich wahrgenommen; inzwischen fällt es auf, wenn es denn mal vorkommt, weil seltener geworden.

Ich finde es eklig, aber andere Länder, andere Sitten, bleibt die eigene Entscheidung, ob man sich da echauffiert oder es ignoriert – ich rate zu letzterem, lebt sich deutlich chilliger damit. 🙂Ich hatte ja mal gute deutsche Tischmanieren… Wenn meine Großeltern mich jetzt sehen würden: Oh weia.

Aber viele Gerichte lassen sich halt nur schlürfenderweise genießen. Was in (Pekinger) Restaurants deutlich anders geworden ist als noch vor wenigen Jahren: es fliegt nicht mehr so viel Müll auf Tisch und Boden, da stehen jetzt vielfach Eimer bereit. Pandemiebedingte Neuerung: in vielen Restaurants werden die Dishes jetzt mit Löffel serviert, damit man nicht mit dem eigenen angesabberten Stäbchen im Essen für alle rumfuhrwerkt.

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8 Kommentare

  • Rostopschin

    Aha, dann werden das auf dem Pekinger Flughafen betelnde Vietnamesen gewesen sein – der Anschlussflug des Betreffenden ging nämlich nach Vietnam, dort sollte die Farm entstehen, die ein Produkt für mikrobiologische Labors produzieren sollte.

  • Ich reise seit 1987 durch China und habe noch nie Betel kauende Chinesen gesehen. Es ist in Myanmar und Vietnam verbreitet. Auch von Taiwan habe ich das gehört, aber selbst nie gesehen.

  • Rostopschin

    Ein Kommilitone war Ende der 70er Jahre nach Asien entsandt worden, dort einen speziellen Landwirtschaftsbetrieb aufzubauen, und strandete für mehrere Tage auf dem Pekinger Flughafen. Er berichtete, sein Hauptproblem dort waren betelnde (nein, nicht bettelnde) Chinesen, die ihren vom Beteln rotgefärbten Speichel in hohen Bögen durchs Flughafengebäude spuckten – er musste aufpassen, nicht getroffen zu werden. War das vielleicht eine leicht übertriebene Darstellung? Wird heute in China noch gebetelt?

  • Christoph

    Sehr schön geschrieben Ulrike und das deckt sich auch mit meinen Erfahrungen und auch mit den Informationen, die ich von meinen chinesischen Kollegen gesagt bekomme, warum rotzen und schlürfen. 🙂

    Ich hab mich nach so langer Zeit immernoch nicht ganz daran gewöhnt, aber ich halte schon was aus und versuche drüber hinweg zu sehen. Ändern kann man ja sowieso nichts. Manchmal tut es aber Gut in ein westliches Restaurant zu gehen, wo es nicht ganz so ‚wild‘ zu geht (wenn man in China lebt) 😉

  • Danke! Genauso sehe ich das auch! Was soll man auch machen? Sich aufregen? Bringt nichts! Anfangen zu fegen und zu putzen! Haha!

  • Sabrina

    Das stimmt, man gewöhnt sich daran. Im europäischen Rahmen fällt einem das deutlich mehr auf, wenn’s denn mal vorkommt.
    Wenn Essensreste und sonstiges im Restaurant auf den Boden gespuckt werden, bin ich nur wenig begeistert, aber ich habs bisher überlebt 😉

  • Mir gelingt es eigentlich gar nicht mehr, Nudelsuppe geräuschlos zu essen. 😉

  • Mir hat mal ein Halbjapaner in einem Restaurant erklärt, ich müsse die Nudeln geräuschvoll schlürfen, hab es aber nicht fertiggebracht. Übe zu Hause mit selbstgemachter Misosuppe 😉

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