Von der Angst unterwegs

„Du bist aber mutig!“ Das ist ein Satz, den ich häufig höre, wenn von meinen Reisen die Rede ist, kombiniert mit „Ich bewundere Dich“. Beides Aussagen, die mich immer wieder verlegen machen, die nicht wirklich an mich gerichtet zu sein scheinen.

Denn ich fühle mich alles andere als mutig oder bewundernswert. Ich habe halt das gemacht, was ich wollte und mich nicht aufhalten lassen. Das Ganze aber immer mit einer guten Vorbereitung, Absicherung und Versicherung.

Ich bin keine Abenteurerin!

Ich bin nicht dafür, unkalkulierbare Risiken einzugehen. Deshalb bin ich nie mit dem Kamel allein durch die Wüste oder mit dem Fahrrad durch den Himalaya. Nein, ich bin keine Abenteurerin! Ich habe einige Dinge gemacht, die vielleicht nicht gewöhnlich sind. Es ergab sich eben so.

Es ergab sich, dass ich gerne alleine reise. Am liebsten reiste ich mit dem Rucksack. Und es ergab sich, dass ich Fahrten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln einer organisierten Busreise vorziehe. Es hätte auch alles anders kommen können. Aber so ist es und ich bin glücklich damit.

Ich habe eher selten Angst gehabt

Doch von den Momenten, wo mich die Angst gepackt hat, möchte ich in meinem Blog nun nach und nach erzählen. Dabei möchte ich zeigen, warum ich eigentlich keine Angst hätte haben müssen, oder auch, wie ich der Angst begegnet bin, wie ich das Risiko gering gehalten habe oder was ich aus heutiger Sicht vielleicht hätte anders machen können.

Damals – Griechenland 1977

Weintrauben

Fange ich also ganz von vorne an: Griechenland 1977. Mit einer Freundin drei Wochen auf eigene Faust in Athen und Umgebung. Wir waren beide jung und hatten damals kaum eine Ahnung, was Angst sein könnte. Wir unternahmen viel zusammen aber trennten uns auch immer wieder für Stunden, Hauptsache, wir saßen abends bei einem Glas griechischen Weines zusammen.

Eines Abends besuchten wir ein Weinfest in der Nähe von Athen. Es war gut besucht, viel Musik und Wein. Wir gingen jeder unsere eigenen Wege. Wir hatten eine Zeit ausgemacht, zu der wir uns an einem bestimmten Platz auf dem Gelände treffen wollten und besprechen, ob wir noch bleiben oder zu unserer Unterkunft zurück kehren würden. Tja, ich war pünktlich zur Stelle.

Nur: meine Freundin kam nicht. Was war geschehen? Je länger ich wartete, desto düsterer wurden meine Phantasien: War sie verschleppt worden? Vergewaltigt, ermordet? Was mache ich, wenn sie nicht wieder kommt? Die Polizei Griechenlands hatte damals nicht den besten Ruf. Ich machte mir schreckliche Sorgen um sie. Und hatte natürlich auch Angst vor dem, was nun möglicherweise auf mich zukommen würde.

Unruhig lief ich auf und ab. Die bunten Lichter, die fröhliche Musik, die lachenden Menschen rauschten an mir vorbei. Ich nahm sie kaum wahr. Ununterbrochen scannte ich die Gesichter, ob nicht doch meine Freundin dabei war. Dann kam der Moment! Sie kam mit einem nervösen Lachen auf mich zu, in Begleitung von zwei Polizisten. Diese fragten mich nach meinem Woher und Wohin. Hatten anscheinend einen guten Eindruck von mir. Schließlich zogen sie ab nicht ohne eine freundliche Ermahnung, vorsichtig zu sein.

Was war geschehen?

Meine Freundin und ich hatten jede ein großes Messer immer dabei. Das hatte ein Polizist gesehen. Bei meiner Freundin steckte es in einer Hülse am Gürtel. Da solche Messer in Griechenland verboten waren, wurde sie festgenommen und intensiv befragt, was sie mit dem Messer vorhatte. Sie, jung und blond, erzählte wilde Geschichten, dass wir doch als Mädchen auf der Hut sein müssten vor den temperamentvollen griechischen Männern. Wie sollten wir uns sonst wehren? So alleine und schutzlos?! Und eigentlich würden wir ja campen und das Messer eher zum Brot schneiden brauchen, weil wir uns ja selbst verpflegten. Schließlich gaben die Polizisten auf und wollten nur noch von mir die Story bestätigt haben. Dass ich, allerdings unsichtbar in einer Hosentasche, auch so ein Messer mit feststehender Klinge, ein Souvenir aus Finnland, trug, haben wir ihnen nicht gesagt.

Mein Puko, mein Finnmesser. Ja, es ist genau dasselbe Messer wie damals in Griechenland. Ich habe es immer noch. Aber ich benutze es nicht mehr ;)
Mein Puko, mein Finnmesser. Ja, es ist genau dasselbe Messer wie damals in Griechenland. Ich habe es immer noch. Aber ich benutze es nicht mehr 😉

So ging alles gut aus. Meine Freundin erhielt sogar ihr Messer zurück.

Die Lehre aus der Geschichte

Ich verzichte auf das große Messer und habe immer ein Schweizer Taschenmesser dabei, vorzugsweise eines mit Korkenzieher. (Damit ich nicht vor einer vollen Weinflasche verdurste.)  und: Manchmal hilft es, sich jung, dumm und naiv zu stellen. Ein „Das habe ich gar nicht gewusst!“ mit einem treuherzigen Augenaufschlag lässt die härtesten Polizisten weich werden. Meistens.

Nun bin ich nicht mehr jung. Aber die Frauenkarte kann ich immer noch ziehen: „Ich – Frau – etwas dumm – hilflos.“ In manchen Situationen sollte man dann auch mal seinen Stolz herunterschlucken.

In lockerer Folge werde ich nun weiter von der Angst unterwegs schreiben. Und mich interessiert natürlich auch, was Ihr da so erlebt habt!

Alleine mit dem Rucksack

Von der Angst unterwegs:

Ulrike

6 Gedanken zu „Von der Angst unterwegs“

  1. So ein Messer hab ich immer am Rad..ich fühle mich einfach sicherer damit wenn ich Nachts unterwegs bin..
    LG, Petra

  2. Liebe Petra, so ein Messer kann zum Sicherheitsgefühl beitragen. Doch ich weiß, dass ich es nur zum Brot schneiden nutze. Aber doch, das fällt mir ein Erlebnis ein, wo ein Räuber von mir abgelassen hat, als er sah, dass ich ein Messer hatte. Ich habe weder damit gedroht, noch ihm das Messer bewusst gezeigt. Vielleicht schreibe ich später mal die Geschichte dazu hier in den Blog. Aber sie passt nicht in meine Reihe „Angst unterwegs“, weil ich damals keine Angst empfunden habe. Mal sehen
    LG
    Ulrike

  3. Danke! „Böse Männer“, von der Angst vor denen unterwegs, kann ich gar nicht so viel erzählen.
    LG
    Ulrike

  4. Irgendwie hast du recht. aber Angst kann auch sehr gut sein, wenn sie vor unnötigen Risiken warnt, einen wachsamer macht…

  5. Kann ich gut nachvollziehen, deine Angst um die Freundin. Hilflos dazustehen und jemand ist weg, das stelle ich mir wirklich furchtbar vor. Vor so einer Situation hätte ich persönlich viel mehr Angst als vor „bösen Männern“ als alleinreisende Frau. Aber vielleicht auch nur, weil ich selten alleinreisende Frau war? Ich bin gespannt, was du noch so alles erzählen wirst… 🙂

    Liebe Grüße,
    Lena

  6. Spannende Geschichte, liebe Ulrike. Angst ist lediglich ein Gefühl vor etwas, das noch nicht stattgefunden hat. Unwichtig also sie zu haben. Das Hier und Jetzt ist das Einzige, was existiert. Und davor brauchen wir keine Angst zu haben.

Ich freue mich auf Deinen Kommentar!